Höhere Erbschaftsteuer für Immobilien?

Im Jahressteuergesetz 2022 sind auch Änderungen im Bewertungsrecht enthalten, die zu einer höheren Erbschaftsteuerbelastung für Immobilien führen können.

Eine zunächst nur wenig beach­te­te Ände­rung durch das Jah­res­steu­er­ge­setz 2022 hat in den letz­ten Wochen viel Auf­merk­sam­keit erhal­ten. Es geht dabei um die Anpas­sung der Rege­lun­gen zur Ver­kehrs­wert­ermitt­lung an die neue Immo­bi­li­en­wert­ermitt­lungs­ver­ord­nung (Immo­WertV) im Ertrags- und Sach­wert­ver­fah­ren. Durch die Anhe­bung der Nut­zungs­dau­er der Gebäu­de von 70 auf 80 Jah­re und die Anpas­sung des Sach­wert­fak­tors sowie die Absen­kung des Lie­gen­schafts­zin­ses kön­nen sich für die steu­er­li­che Bewer­tung Wert­stei­ge­run­gen von 30 % erge­ben.

Die­se auch in den Medi­en ver­brei­te­te Zahl hat vie­le Immo­bi­li­en­be­sit­zer auf­ge­schreckt und dazu ver­an­lasst, vor dem Jah­res­wech­sel noch schnell eine Nach­fol­ge­re­ge­lung zu alten Wer­ten umset­zen zu wol­len. Die­ser Impuls ist zwar ver­ständ­lich, aber in vie­len Fäl­len unbe­grün­det. Dazu kommt, dass es sel­ten zu einer idea­len Gestal­tung führt, wenn man mit der Nach­fol­ge­pla­nung so lan­ge war­tet, bis man durch geplan­te Geset­zes­än­de­run­gen zu einer über­has­te­ten Maß­nah­me ver­lei­tet wird. Zudem ist es inzwi­schen für eine Über­tra­gung zu alten Wer­ten in der Regel ohne­hin zu spät, weil nur in Aus­nah­me­fäl­len noch vor dem Jah­res­wech­sel ein Notar­ter­min zu ergat­tern sein wird.

Als Trost für alle Steu­er­zah­ler, die kei­nen Notar­ter­min mehr bekom­men haben oder sich ein­fach nur über die Ände­rung ärgern, gibt es aber gleich zwei Licht­bli­cke. Da ist ers­tens die Art der Ände­rung, die für die meis­ten Immo­bi­li­en gar kei­ne Aus­wir­kun­gen haben wird. Bei der Erb­schaft­steu­er kom­men näm­lich drei unter­schied­li­che Ver­fah­ren zur Ermitt­lung der Besteue­rungs­grund­la­ge zur Anwen­dung:

  • Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren: Für Eigen­tums­woh­nun­gen sowie Ein- und Zwei­fa­mi­li­en­häu­ser wird der Wert in der Regel im Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren ermit­telt, also anhand des Ver­kaufs­prei­ses ver­gleich­ba­rer Immo­bi­li­en im Umfeld. Bei die­sem Ver­fah­ren ändert sich nichts, und da die meis­ten Immo­bi­li­en in Pri­vat­be­sitz in die­se Kate­go­rie fal­len, ändert sich auch deren steu­er­li­cher Wert zum Jah­res­wech­sel nicht — ein­mal abge­se­hen von den übli­chen Ent­wick­lun­gen der aktu­ell sta­gnie­ren­den Markt­prei­se.

  • Sach­wert­ver­fah­ren: Wenn Ver­gleichs­wer­te feh­len, weil es sich um ein Gebäu­de mit ein­zig­ar­ti­ger Bau­wei­se han­delt oder weil es für eine Immo­bi­lie auf dem Land nicht aus­rei­chend Ver­gleichs­wer­te gibt, kommt das Sach­wert­ver­fah­ren zur Anwen­dung. Hier ist neben der Ver­län­ge­rung der Nut­zungs­dau­er von 70 auf 80 Jah­re, die alle mit die­sem Ver­fah­ren bewer­te­ten Immo­bi­li­en betrifft, auch eine Anhe­bung des Sach­wert­fak­tors vor­ge­se­hen. Aller­dings kommt der höhe­re Sach­wert­fak­tor nur dann zur Anwen­dung, wenn es kei­nen Regio­nal­fak­tor gibt, der nor­ma­ler­wei­se vom ört­li­chen Gut­ach­ter­aus­schuss alle zwei Jah­re fest­ge­legt wird.

  • Ertrags­wert­ver­fah­ren: Das Ertrags­wert­ver­fah­ren gilt für Gewer­be­im­mo­bi­li­en und grö­ße­re Miets­häu­ser. Auch hier machen sich die höhe­re Rest­nut­zungs­dau­er und die Absen­kung der Lie­gen­schafts­zins­sät­ze bemerk­bar. Zusätz­lich gibt es eine Ein­schrän­kung bei den anzu­set­zen­den Bewirt­schaf­tungs­kos­ten. Wie beim Sach­wert­ver­fah­ren gilt aber, dass sich die Absen­kung der Lie­gen­schafts­zins­sät­ze nur bemerk­bar macht, wenn der ört­li­che Gut­ach­ter­aus­schuss kei­ne regio­na­len Lie­gen­schafts­zins­sät­ze zur Ver­fü­gung stellt.

Nicht von den Ände­run­gen betrof­fen sind also die aller­meis­ten Eigen­tums­woh­nun­gen, Ein­fa­mi­li­en­häu­ser und Dop­pel­haus­hälf­ten. Alle ande­ren Immo­bi­li­en sind in den meis­ten Fäl­len auch nur ein­ge­schränkt betrof­fen (in der Regel vor allem von der höhe­ren Rest­nut­zungs­dau­er), weil es in prak­tisch allen grö­ße­ren Städ­ten und vie­len klei­ne­ren Gemein­den einen ört­li­chen Gut­ach­ter­aus­schuss gibt, der regio­na­le Bewer­tungs­fak­to­ren her­aus­gibt, die dann auch wei­ter­hin anzu­wen­den sind. Stark betrof­fen sind also pri­mär eini­ge länd­lich gele­ge­ne Miets­häu­ser und gemischt genutz­te Immo­bi­li­en oder Gewer­be­im­mo­bi­li­en sowie Vil­len.

Für Unter­neh­mens­ver­mö­gen und grö­ße­re Pri­vat­ver­mö­gen, zu denen sol­che Immo­bi­li­en meist gehö­ren, führt aber ohne­hin eine sorg­fäl­ti­ge und lang­fris­tig geplan­te Nach­fol­ge­re­ge­lung zu den bes­ten steu­er­li­chen Ergeb­nis­sen, weil eine opti­ma­le Gestal­tung die tat­säch­li­che Steu­er­last deut­lich stär­ker beein­flus­sen kann als die rei­ne Ände­rung des Immo­bi­li­en­werts jetzt aus­ma­chen wür­de. Spre­chen Sie uns daher an, wenn die Nach­fol­ge­pla­nung unter steu­er­li­chen Gesichts­punk­ten für Sie ein The­ma ist.

Der zwei­te Licht­blick — nicht nur für Immo­bi­li­en­be­sit­zer — ist aber, dass sich die Anzei­chen für eine spür­ba­re Anhe­bung der Erb­schaft­steu­er­frei­be­trä­ge ver­dich­ten. Die Frei­be­trä­ge sind näm­lich seit der Erb­schaft­steu­er­re­form 2009 unver­än­dert, wäh­rend die Immo­bi­li­en­prei­se im sel­ben Zeit­raum um 50 bis 120 % ange­stie­gen sind. Vor allem die­ser Aspekt hat dazu geführt, dass die Zahl der Erb­schaft­steu­er­ver­an­la­gun­gen in die­sem Zeit­raum um ein Drit­tel und das Steu­er­auf­kom­men um mehr als das Dop­pel­te gestie­gen ist. Vor allem die Zahl der erb­schaft­steu­er­pflich­ti­gen Ehe­part­ner und Kin­der, für die ohne­hin die höchs­ten Frei­be­trä­ge gel­ten, hat sich enorm erhöht, näm­lich um fast 90 %.

Weil sich immer mehr Erben ver­schul­den oder das Erbe ver­kau­fen müs­sen, um die fäl­li­ge Erb­schaft­steu­er zah­len zu kön­nen, sind in den letz­ten Jah­ren die For­de­run­gen nach einer Anhe­bung der Frei­be­trä­ge lau­ter gewor­den. Einen Anlauf hat jetzt Bay­ern im Bun­des­rat gemacht, und die Regie­rungs­ko­ali­ti­on hat sich im Grund­satz dar­auf ver­stän­digt, einer koor­di­nier­ten Initia­ti­ve aus dem Bun­des­rat zu einer Anhe­bung der Frei­be­trä­ge zuzu­stim­men.

In aktu­el­len Pres­se­mel­dun­gen ist von einer Anhe­bung um 25 % die Rede, die­se kann aber durch­aus auch höher aus­fal­len. Wie schnell eine Anhe­bung der Frei­be­trä­ge kommt, ist noch nicht klar, aber dass sie kommt, ist inzwi­schen sehr wahr­schein­lich gewor­den. Damit kann eine Über­tra­gung von Immo­bi­li­en­ver­mö­gen auch für die von den Anpas­sun­gen im Bewer­tungs­recht betrof­fe­nen Immo­bi­li­en zu einem spä­te­ren Zeit­punkt sogar güns­ti­ger sein, wenn die Anhe­bung des Frei­be­trags höher aus­fällt als der Wert­zu­wachs durch die neu­en Bewer­tungs­vor­ga­ben.