Erster Entwurf für das Jahressteuergesetz 2010

Neben reinen Korrektur- und Reparaturmaßnahmen enthält der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums auch viele Änderungen, die praktische Bedeutung haben.

Ende März hat das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um den Refe­ren­ten­ent­wurf für das Jah­res­steu­er­ge­setz 2010 ver­öf­fent­licht. Die Jah­res­steu­er­ge­set­ze sind Omni­bus­ge­set­ze, die eine Viel­zahl ver­schie­de­ner Geset­zes­än­de­run­gen zusam­men­fas­sen, und mit 151 Sei­ten gehört der Gesetz­ent­wurf für die­ses Gesetz zu den umfang­reichs­ten Steu­er­ge­set­zen der letz­ten Jah­re. Im Mai ist die Ver­ab­schie­dung durch das Bun­des­ka­bi­nett geplant. Das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren selbst wird sich aber noch bis in den Spät­herbst hin­zie­hen. Bis das Gesetz in Kraft tre­ten wird, kann sich an sei­nem Inhalt also noch eini­ges ändern.

Ein Groß­teil des Geset­zes ent­fällt auf Klar­stel­lun­gen, Kor­rek­tu­ren feh­ler­haf­ter Ver­wei­se und Repa­ra­tu­ren an den Vor­schrif­ten zur Abgel­tungs­teu­er, steu­er­lich geför­der­ter Alters­vor­sor­ge und dem Lohn­steu­er­ab­zug. Die­se Ände­run­gen haben vor allem tech­ni­schen Cha­rak­ter, blei­ben also ohne gro­ße Aus­wir­kung auf die Steu­er­pra­xis. Dane­ben gibt es jedoch auch durch­aus gra­vie­ren­de Ände­run­gen. Damit Sie sich dar­auf bereits vor­be­rei­ten kön­nen, erfah­ren Sie im Fol­gen­den mehr über eini­ge beson­ders bedeut­sa­me Ände­run­gen, die das Gesetz ent­hal­ten soll.

  • Hand­wer­k­erleis­tun­gen: Von der Steu­er­ermä­ßi­gung für Hand­wer­k­erleis­tun­gen sol­len ab 2011 öffent­lich geför­der­te Maß­nah­men aus­ge­nom­men wer­den. Dazu zäh­len bei­spiels­wei­se auch zins­ver­bil­lig­te Dar­le­hen im Rah­men eines KfW-För­der­pro­gramms. Der Aus­schluss gilt jedoch nur, wenn die För­de­rung auch tat­säch­lich in Anspruch genom­men wird.

  • Anti-See­ling-Rege­lung: Das See­ling-Modell ermög­licht es Unter­neh­mern, ein gemischt genutz­tes Gebäu­de kom­plett dem Betriebs­ver­mö­gen zuzu­ord­nen, den vol­len Vor­steu­er­ab­zug gel­tend zu machen und dann nur den Eigen­ver­brauch für den pri­vat genutz­ten Anteil zu ver­steu­ern. Geschaf­fen wur­de es durch ein Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs, das den Finanz­mi­nis­tern ver­ständ­li­cher­wei­se nicht behagt hat. Noch ist das See­ling-Modell anwend­bar, aller­dings nur für bis zum 31. Dezem­ber 2010 ange­schaff­te oder fer­tig­ge­stell­te Immo­bi­li­en. Denn danach wird mit dem Jah­res­steu­er­ge­setz die Anti-See­ling-Rege­lung in deut­sches Recht umge­setzt, auf die sich die EU-Finanz­mi­nis­ter geei­nigt haben. Ab 2011 ist dann nur noch ein antei­li­ger Vor­steu­er­ab­zug mög­lich. Dafür wird die Mög­lich­keit einer Vor­steu­er­be­rich­ti­gung geschaf­fen, falls spä­ter eine Ände­rung der Nut­zungs­an­tei­le erfolgt.

  • Steu­er­schuld­ner­schaft des Leis­tungs­emp­fän­gers: Zur Ver­hin­de­rung des Umsatz­steu­er­be­trugs wird wie­der ein­mal die Umkehr der Steu­er­schuld­ner­schaft aus­ge­wei­tet. Zukünf­tig soll die Steu­er­schuld­ner­schaft des Leis­tungs­emp­fän­gers auch gel­ten für die Leis­tun­gen von Gebäu­de­rei­ni­gern und die Lie­fe­rung von Indus­trie­schrott, Alt­me­tal­len und sons­ti­gen Abfall­stof­fen.

  • Ver­lust­vor­trag: Der Bun­des­fi­nanz­hof hat­te in einem Urteil die Fest­stel­lung eines vor­trags­fä­hi­gen Ver­lus­tes von der Ände­rungs­mög­lich­keit der Steu­er­fest­set­zung im Ver­lust­jahr ent­kop­pelt. Die­ses Urteil ist der Finanz­ver­wal­tung ein Dorn im Auge. Daher soll der Erlass oder die Ände­rung eines Ver­lust­fest­stel­lungs­be­schei­des zukünf­tig nur noch dann wegen nach­träg­lich bekannt gewor­de­ner Tat­sa­chen mög­lich sein, wenn das Finanz­amt bei recht­zei­ti­ger Kennt­nis der Tat­sa­chen oder Beweis­mit­tel schon bei der ursprüng­li­chen Ver­an­la­gung mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit zur ent­spre­chen­den Fest­stel­lung eines vor­trags­fä­hi­gen Ver­lus­tes gelangt wäre.

  • Frei­stel­lungs­auf­trä­ge: Ab Inkraft­tre­ten des Geset­zes müs­sen alle neu­en Frei­stel­lungs­auf­trä­ge die bun­des­ein­heit­li­che Steu­er­iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer ent­hal­ten. Bestehen­de Frei­stel­lungs­auf­trä­ge blei­ben aller­dings bis Ende 2014 wirk­sam, erst danach müs­sen auch die­se Frei­stel­lungs­auf­trä­ge die Steu­er­iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer ent­hal­ten. Zusam­men mit eini­gen ande­ren Ände­run­gen will die Finanz­ver­wal­tung damit die Kon­trol­le der Kapi­tal­erträ­ge und die Über­wa­chung der Anle­ger wesent­lich effek­ti­ver gestal­ten.

  • Ver­äu­ße­rungs­ge­schäf­te: Um ein Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs aus­zu­he­beln, will das Minis­te­ri­um gesetz­lich fest­schrei­ben, dass die Ver­äu­ße­rung von Gegen­stän­den des täg­li­chen Gebrauchs nicht steu­er­bar ist. Bis­her war es näm­lich mög­lich, Ver­lus­te aus sol­chen Ver­äu­ße­rungs­ge­schäf­ten — zum Bei­spiel der Kauf eines Neu­wa­gens und der anschlie­ßen­de Ver­kauf mit Ver­lust als Gebraucht­wa­gen — mit ande­ren Kapi­tal­erträ­gen zu ver­rech­nen.

  • Kapi­tal­maß­nah­men und Abgel­tungs­teu­er: Dass die Ban­ken bei Kapi­tal­maß­nah­men, bei denen die Erträ­ge als Antei­le an Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten zuflie­ßen, man­gels Zah­lun­gen kei­nen Steu­er­ab­zug vor­neh­men kön­nen, hat in der Pra­xis umständ­li­che Fol­gen. Daher wird die Steu­erneu­tra­li­tät bei Kapi­tal­maß­nah­men, die bis­her nur für Aus­lands­be­tei­li­gun­gen galt, nun auch auf Inlands­be­tei­li­gun­gen aus­ge­wei­tet. Damit wer­den Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren ver­mie­den, die sonst unaus­weich­lich wären. Dane­ben gibt es noch wei­te­re Ände­run­gen, die die Abgel­tungs­teu­er in der Pra­xis bes­ser hand­hab­bar machen sol­len. Ein Bei­spiel dafür ist, dass rück­wir­ken­de Kor­rek­tu­ren der Steu­er­ermitt­lung durch die Bank erst im Jahr der Kor­rek­tur wirk­sam wer­den, sodass eine rück­wir­ken­de Ände­rung von Steu­er­be­schei­ni­gun­gen und Steu­er­ver­an­la­gun­gen nicht not­wen­dig wird.

  • Ver­sor­gungs­aus­gleich: Zukünf­tig kann auch ein Aus­gleich in Form von Kapi­tal­zah­lun­gen als Son­der­aus­ga­ben gel­tend gemacht wer­den. Wei­te­re Ände­run­gen betref­fen die Anpas­sung an das Ver­sor­gungs­aus­gleichs­ge­setz.

  • Pflicht­ver­an­la­gun­gen: Bis­her muss­te jeder Arbeit­neh­mer, der sich einen Frei­be­trag auf der Lohn­steu­er­kar­te ein­tra­gen ließ, eine Steu­er­erklä­rung abge­ben. Arbeit­neh­mer, deren Ein­kom­men die diver­sen gesetz­li­chen Frei­be­trä­ge ohne­hin nicht über­schrei­tet, wer­den zukünf­tig von die­ser Pflicht befreit. Das ist der Fall bei einem Ein­kom­men unter 10.200 Euro für Sin­gles und 19.400 Euro für Ehe­gat­ten.

  • Lohn­steu­er­ab­zug: Die Gemein­den stel­len für das Jahr 2010 letzt­mals Lohn­steu­er­kar­ten aus, danach wird die Lohn­steu­er­kar­te durch elek­tro­ni­sche Lohn­steu­er­ab­zugs­merk­ma­le ersetzt. Für die­se Umstel­lung ent­hält das Gesetz eine gan­ze Rei­he von Anpas­sun­gen und Kor­rek­tu­ren. Das betrifft zum Bei­spiel die Über­mitt­lung der rele­van­ten Daten durch die Mel­de­be­hö­ren. Aber auch der Abruf der Abzugs­merk­ma­le durch die Arbeit­ge­ber wird ange­passt: Da die dafür eigent­lich vor­ge­se­he­nen Wirt­schafts-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mern nicht vor 2013 zuge­teilt wer­den, braucht es für die Über­gangs­zeit einen ande­ren Iden­ti­fi­ka­ti­ons­schlüs­sel. Bis­her war als Ersatz die USt­IdNr vor­ge­se­hen, doch in der ursprüng­li­chen Kon­zep­ti­on war man davon aus­ge­gan­gen, dies betref­fe nur eini­ge weni­ge Unter­neh­men in der Erpro­bungs­pha­se. Da die USt­IdNr weder pri­mär für die­sen Zweck vor­ge­se­hen ist noch jeder Arbeit­ge­ber bis 2012 eine USt­IdNr haben wird, soll in der Über­gangs­zeit nun die Steu­er­num­mer, unter der der Arbeit­ge­ber die Lohn­steu­er-Anmel­dung abgibt, zur Authen­ti­fi­zie­rung des Arbeit­ge­bers genutzt wer­den.

  • Trans­fer­ent­schä­di­gun­gen: Ent­schä­di­gun­gen für den Wech­sel eines Sport­lers von einem aus­län­di­schen zu einem inlän­di­schen Ver­ein sol­len steu­er­pflich­tig sein. Auch die­se Rege­lung soll ein unlieb­sa­mes Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs aus­he­beln. Für Ver­gü­tun­gen im Ama­teur­sport gibt es eine Frei­gren­ze von 10.000 Euro.

  • Zwi­schen­staat­li­che Ver­stän­di­gun­gen: Einigt sich die deut­sche mit einer aus­län­di­schen Finanz­ver­wal­tung über die Hand­ha­bung von Fra­gen, die nicht oder nicht voll­stän­dig im jewei­li­gen Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men gere­gelt sind, bin­det die­se Eini­gung erst ein­mal nur die Finanz­ver­wal­tung. Die Finanz­ge­rich­te dage­gen sind an eine sol­che zwi­schen­staat­li­che Ver­ein­ba­rung nicht gebun­den. Daher wird nun die Mög­lich­keit geschaf­fen, sol­che Ver­ein­ba­run­gen auch inner­halb Deutsch­lands gesetz­lich fest­zu­schrei­ben, wor­an sich dann auch die Gerich­te hal­ten müs­sen.

Soweit bei den ein­zel­nen Punk­ten nicht anders erwähnt, tre­ten die Ände­run­gen durch das Jah­res­steu­er­ge­setz am Tag nach Ver­kün­dung des Geset­zes in Kraft, gel­ten dann also zum Groß­teil bereits im Jahr 2010. In einer ers­ten Stel­lung­nah­me hat sich der Deut­sche Steu­er­be­ra­ter­ver­band bereits kri­tisch mit dem Gesetz­ent­wurf aus­ein­an­der­ge­setzt und for­dert neben Kor­rek­tu­ren am Gesetz auch die Wie­der­ein­füh­rung der Abzugs­fä­hig­keit pri­va­ter Steu­er­be­ra­tungs­kos­ten, wie das der Koali­ti­ons­ver­trag vor­sieht.