Erstausbildung als Werbungskosten abziehbar

Überraschend lässt der Bundesfinanzhof prinzipiell den Abzug der Aufwendungen für ein Erststudium als Werbungskosten zu.

Der VI. Senat des Bun­des­fi­nanz­hofs hat in den letz­ten Mona­ten schon mehr­mals die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung auf den Kopf gestellt und steu­er­zah­ler­freund­li­che Ent­schei­dun­gen gefällt, dar­un­ter die Abzieh­bar­keit von Pro­zess­kos­ten als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung und den ein­fa­che­ren Nach­weis von krank­heits­be­ding­ten Kos­ten. Doch kei­nes die­ser Urtei­le dürf­te dem Finanz­mi­nis­ter so schwer im Magen lie­gen wie der Mit­te August ver­öf­fent­lich­te Beschluss, Auf­wen­dun­gen für die erst­ma­li­ge Berufs­aus­bil­dung in vie­len Fäl­len zum Wer­bungs­kos­ten­ab­zug zuzu­las­sen.

Tat­säch­lich sind die bei­den Urtei­le in ihrer Bedeu­tung kaum zu unter­schät­zen, denn sie betref­fen fast jeden, der in den letz­ten Jah­ren sei­ne Berufs­aus­bil­dung abge­schlos­sen hat. Im Steu­er­recht erhal­ten sonst allen­falls Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts so viel Auf­merk­sam­keit wie die­se bei­den Urtei­le des Bun­des­fi­nanz­hofs erfah­ren haben.

Eigent­lich soll­te eine Geset­zes­än­de­rung ab 2004 sicher­stel­len, dass die Kos­ten für die erst­ma­li­ge Berufs­aus­bil­dung nur noch begrenzt und als Son­der­aus­ga­ben abge­zo­gen wer­den kön­nen. Weil Son­der­aus­ga­ben aber nicht als Ver­lust vor­trags­fä­hig sind, kann die Kos­ten nur der­je­ni­ge über­haupt steu­er­lich gel­tend machen, der wäh­rend der Berufs­aus­bil­dung ein signi­fi­kan­tes Ein­kom­men erzielt. Aller­dings ist die Vor­schrift für den Son­der­aus­ga­ben­ab­zug im Ein­kom­men­steu­er­ge­setz mit der Ein­schrän­kung ver­se­hen, dass der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug nur für Aus­ga­ben gilt, die kei­ne Wer­bungs­kos­ten oder Betriebs­aus­ga­ben sind.

Die­se Ein­schrän­kung haben die Rich­ter nun auf­ge­grif­fen und fest­ge­stellt, dass bei einer kon­se­quen­ten Aus­le­gung des Steu­er­ge­set­zes also erst ein­mal zu prü­fen ist, ob die Aus­bil­dungs­kos­ten nicht Wer­bungs­kos­ten oder Betriebs­aus­ga­ben sind. Das ist laut den Urtei­len immer dann der Fall, wenn zwi­schen der Aus­bil­dung und der spä­te­ren Berufs­tä­tig­keit ein hin­rei­chend kon­kre­ter Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang besteht, wenn also anders gesagt der spä­ter aus­ge­üb­te Beruf nicht ohne die vor­her­ge­hen­de Berufs­aus­bil­dung mög­lich gewe­sen wäre.

Die bei­den Fäl­le, die dem Bun­des­fi­nanz­hof vor­la­gen, lie­fern dafür gute Bei­spie­le. Im ers­ten Fall woll­te ein Pilot sei­ne Aus­bil­dungs­kos­ten von knapp 28.000 Euro steu­er­lich gel­tend machen. Der ande­re Fall betrifft eine Ärz­tin, die für ihr Medi­zin­stu­di­um bei­na­he 12.000 Euro auf­ge­wen­det hat­te. In bei­den Fäl­len haben die Rich­ter den Berufs­neu­ein­stei­gern Recht gege­ben und die Kos­ten zum Wer­bungs­kos­ten­ab­zug zuge­las­sen, weil offen­sicht­lich weder ein Pilot ohne Zulas­sung noch eine Ärz­tin ohne Medi­zin­stu­di­um den jewei­li­gen Beruf aus­üben könn­te.

Nur wenn kein Zusam­men­hang zwi­schen der Aus­bil­dung und dem spä­ter aus­ge­üb­ten Beruf besteht, wenn also bei­spiels­wei­se ein gelern­ter Bank­kauf­mann sein Geld als Musik­leh­rer ver­dient, bleibt es nach die­ser neu­en Recht­spre­chung bei der Beschrän­kung auf den Son­der­aus­ga­ben­ab­zug. Wich­tig ist dabei, dass die­se neue Recht­spre­chung für jede Art von Berufs­aus­bil­dung gilt, also nicht nur für Stu­di­en­kos­ten, son­dern eben­so für eine Leh­re und die Aus­bil­dung zum Hand­werks­meis­ter.

Ist unter Berück­sich­ti­gung der Ein­schrän­kung auf den Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang ein Wer­bungs­kos­ten­ab­zug mög­lich, hat das zwei gewich­ti­ge Vor­tei­le für die Betrof­fe­nen. Damit ent­fällt näm­lich nicht nur die Beschrän­kung auf maxi­mal 4.000 Euro pro Jahr, die beim Son­der­aus­ga­ben­ab­zug vor­ge­se­hen ist, son­dern es wird auch ein Ver­lust­vor­trag mög­lich, weil die Auf­wen­dun­gen zu vor­weg­ge­nom­me­nen Wer­bungs­kos­ten wer­den. Die Aus­ga­ben kön­nen also “auf­ge­spart” wer­den, bis das ers­te Berufs­ein­kom­men fließt und dann von die­sem Ein­kom­men abge­zo­gen wer­den.

Damit Berufs­ein­stei­ger von die­ser neu­en Recht­spre­chung pro­fi­tie­ren kön­nen, müs­sen sie daher Steu­er­erklä­run­gen für die Jah­re der Berufs­aus­bil­dung abge­ben, in denen sie die im jewei­li­gen Jahr ange­fal­le­nen Kos­ten gel­tend machen, und die Fest­stel­lung eines Ver­lust­vor­trags bean­tra­gen. Berück­sich­tigt wer­den in jedem Fall Kos­ten für Arbeits­mit­tel, Fach­li­te­ra­tur, Inter­net­zu­gang und Fahr­ten zur Aus­bil­dungs­stät­te sowie Stu­di­en­ge­büh­ren oder Kurs- und Prü­fungs­kos­ten. Bei den Kos­ten für eine aus­wär­ti­ge Unter­kunft und ande­re Auf­wen­dun­gen kommt es auf den Ein­zel­fall an, ob die­ses als aus­bil­dungs­be­zo­ge­ne Kos­ten gel­ten.

Nach­dem der Bun­des­fi­nanz­hof vor Kur­zem ent­schie­den hat, dass bei der Antrags­ver­an­la­gung kei­ne Anlauf­hem­mung gilt, kön­nen die Ver­lus­te in der Regel für maxi­mal vier Jah­re, also bis zurück ins Jahr 2007, nach­träg­lich gel­tend gemacht wer­den. Dazu müs­sen Sie zumin­dest die Steu­er­erklä­rung für 2007 bis zum 31. Dezem­ber 2011 abge­ge­ben haben, danach ist die Fest­set­zungs­frist für 2007 abge­lau­fen.

Im Ein­zel­fall kön­nen die Kos­ten sogar bis ins Jahr 2004 zurück gel­tend gemacht wer­den, näm­lich dann, wenn eine Pflicht­ver­an­la­gung durch­zu­füh­ren ist, die bis­her noch nicht erfolgt ist. Dann kommt näm­lich noch die Anlauf­hem­mung von wei­te­ren drei Jah­ren zur Abga­be­frist dazu. Pech hat dage­gen, wer bereits eine Steu­er­erklä­rung abge­ge­ben hat und dazu einen Steu­er­be­scheid erhal­ten hat, der inzwi­schen bestands­kräf­tig ist. Nur wenn der Steu­er­be­scheid einen Vor­läu­fig­keits­ver­merk zu den Auf­wen­dun­gen für die Berufs­aus­bil­dung ent­hält, besteht hier noch eine Ände­rungs­mög­lich­keit.

Span­nend bleibt, wie die Finanz­ver­wal­tung auf die neue Recht­spre­chung reagie­ren wird. Gegen­über dem SPIEGEL hat das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um bis­her nur erklärt, dass man mit die­sem Aus­gang des Ver­fah­rens nicht gerech­net hat. Denk­bar sind drei Alter­na­ti­ven:

  • Akzep­tanz: Der Fis­kus kann sich mit der Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs abfin­den. Weil den öffent­li­chen Kas­sen damit aber ein enor­mes Steu­er­auf­kom­men ent­geht, ist die­se Vari­an­te nicht sehr wahr­schein­lich.

  • Nicht­an­wen­dungs­er­lass: Das Minis­te­ri­um könn­te die Finanz­äm­ter anwei­sen, die Urtei­le nicht auf ande­re Fäl­le anzu­wen­den. Ange­sichts der gro­ßen Zahl von Betrof­fe­nen, die dann alle ein­zeln beim Finanz­ge­richt kla­gen wür­den, ist die­se Alter­na­ti­ve eben­falls eher unwahr­schein­lich, denn es ist recht sicher, dass die Gerich­te — gestärkt durch den Bun­des­fi­nanz­hof — nicht dem Finanz­amt, son­dern den Steu­er­zah­lern Recht geben wer­den. Auch der Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter hat bereits erklärt, dass er den Nicht­an­wen­dungs­er­lass in die­sem Fall ger­ne ver­mei­den will.

  • Geset­zes­än­de­rung: Mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit wird es auf eine Nicht­an­wen­dungs­ge­setz­ge­bung hin­aus­lau­fen, bei der sich das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um um eine Geset­zes­än­de­rung bemüht, die zumin­dest für die Zukunft die bis­he­ri­ge Ver­wal­tungs­auf­fas­sung gesetz­lich zemen­tiert. Eine sol­che Ände­rung wäre, wenn sie noch in die­sem Jahr beschlos­sen wird, aller­dings frü­hes­tens für 2011 wirk­sam, sodass zumin­dest für die Jah­re 2007 bis 2010 ein Steu­er­ab­zug der Aus­bil­dungs­kos­ten auf­grund der neu­en Urtei­le mög­lich bleibt.