Steuervereinfachungsgesetz 2011 verabschiedet

Das jetzt beschlossene Steuervereinfachungsgesetz 2011 enthält viele kleinere Vereinfachungen im Steuerrecht sowie die Abschaffung der Signaturpflicht für elektronische Rechnungen.

In der letz­ten Sit­zung vor der par­la­men­ta­ri­schen Som­mer­pau­se am 8. Juli 2011 hat der Bun­des­rat ganz über­ra­schend sowohl dem Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­setz 2011 als auch dem Gesetz zur steu­er­li­chen För­de­rung von ener­ge­ti­schen Sanie­rungs­maß­nah­men an Wohn­ge­bäu­den die Zustim­mung ver­wei­gert. Zumin­dest für das Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­setz 2011 hat die Bun­des­re­gie­rung daher den Ver­mitt­lungs­aus­schuss ange­ru­fen, der aus dem Gesetz die Mög­lich­keit zur Abga­be einer Steu­er­erklä­rung für jeweils zwei Jah­re gestri­chen hat, an der sich die Län­der beson­ders gestört hat­ten.

Die Län­der woll­ten außer­dem die Ein­füh­rung einer Baga­tell­gren­ze bei der ver­bind­li­chen Aus­kunft ver­hin­dern und eine Anhe­bung des Behin­der­ten-Pausch­be­trags durch­set­zen. Die­se bei­den Kri­tik­punk­te der Bun­des­län­der wur­den vom Ver­mitt­lungs­aus­schuss jedoch nicht auf­ge­grif­fen. Die­ses Ver­mitt­lungs­er­geb­nis haben Bun­des­tag und Bun­des­rat nun am 23. Sep­tem­ber ver­ab­schie­det, sodass das Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­setz 2011 in der ver­än­der­ten Form in Kraft tre­ten kann. Hier ist ein Über­blick über alle wesent­li­chen Ände­run­gen durch das Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­setz:

  • Elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen: Eine Ände­rung der EU-Direk­ti­ve zur Mehr­wert­steu­er ver­langt von den Mit­glieds­staa­ten die voll­stän­di­ge Gleich­stel­lung von Papier- und elek­tro­ni­schen Rech­nun­gen. Das müs­sen die EU-Staa­ten spä­tes­tens bis 2013 umge­setzt haben. Das Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­setz streicht die Signa­tur­pflicht bei elek­tro­ni­schen Rech­nun­gen nun wie vor­ge­se­hen bereits rück­wir­kend zum 1. Juli 2011. Rech­nungs­aus­stel­ler und -emp­fän­ger müs­sen wei­ter­hin inner­halb der Auf­be­wah­rungs­fris­ten die Echt­heit, Unver­sehrt­heit und Les­bar­keit der Rech­nung sicher­stel­len, es bleibt ihnen dann aber selbst über­las­sen, auf wel­chem Wege sie das tun. Bei einer Umsatz­steu­er-Nach­schau darf das Finanz­amt dafür nun aber auch elek­tro­nisch gespei­cher­te Auf­zeich­nun­gen, Bücher, Geschäfts­pa­pie­re, ande­re Urkun­den und elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen ein­se­hen.

  • Arbeit­neh­mer-Pausch­be­trag: Vor sie­ben Jah­ren wur­de der Arbeit­neh­mer-Pausch­be­trag von 1.044 Euro auf 920 Euro redu­ziert, jetzt wird er wie­der auf 1.000 Euro stei­gen, und zwar rück­wir­kend noch für 2011. Das soll den Ein­zel­nach­weis von Aus­ga­ben für 550.000 Arbeit­neh­mer über­flüs­sig machen. Um eine Ände­rung des Lohn­steu­er­ab­zugs für die bis­he­ri­gen Mona­te in 2011 zu ver­mei­den, sieht das Gesetz vor, dass der gesam­te Erhö­hungs­be­trag von 80 Euro in der Lohn­ab­rech­nung vom Dezem­ber 2011 zu berück­sich­ti­gen ist.

  • Ent­fer­nungs­pau­scha­le: Nutzt der Steu­er­zah­ler für den Arbeits­weg abwech­selnd öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel und den eige­nen Pkw, wer­den ab 2012 durch die Umstel­lung von einer tag­wei­sen auf eine jähr­li­che Ver­gleichs­rech­nung die der­zeit noch not­wen­di­gen Auf­zeich­nun­gen und Berech­nun­gen über­flüs­sig. In eini­gen Fäl­len bedeu­tet dies jedoch eine Ver­schlech­te­rung, weil Berufs­tä­ti­ge, die nur zeit­wei­se öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel nut­zen, nicht mehr den höhe­ren Fahr­kar­ten­preis gel­tend machen kön­nen. Auf­wen­dun­gen für die Benut­zung öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel kön­nen näm­lich nur noch dann mit dem tat­säch­li­chen Preis ange­setzt wer­den, wenn sie allein den Jah­res­höchst­be­trag für die Ent­fer­nungs­pau­scha­le von 4.500 Euro über­stei­gen.

  • Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten: Kos­ten für die Kin­der­be­treu­ung wer­den ab 2012 gene­rell als Son­der­aus­ga­ben berück­sich­tigt. Außer­dem wer­den die Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen bei den Eltern gestri­chen, sodass der Abzug nun unab­hän­gig von einer Erwerbs­tä­tig­keit, Krank­heit oder Behin­de­rung für alle Kin­der unter 14 Jah­ren mög­lich ist. Eine umfang­rei­che Prü­fung, ob es sich um Wer­bungs­kos­ten oder Son­der­aus­ga­ben han­delt, ent­fällt dadurch. Dass sich der feh­len­de Wer­bungs­kos­ten­ab­zug nega­tiv im außer­steu­er­li­chen Bereich aus­wirkt, bei­spiels­wei­se beim Wohn­geld oder ein­kom­mens­ab­hän­gi­gen Bei­trä­gen für den Kin­der­gar­ten, wird durch eine Zusatz­vor­schrift ver­hin­dert. An der Höhe der abzieh­ba­ren Betreu­ungs­kos­ten — zwei Drit­tel der Aus­ga­ben, höchs­tens aber 4.000 Euro je Kind — ändert sich nichts.

  • Kin­der­geld: Zahl­lo­se Strei­te­rei­en mit der Fami­li­en­kas­se und Ver­fah­ren vor den Finanz­ge­rich­ten wer­den ab 2012 über­flüs­sig, denn bei der Gewäh­rung von Kin­der­geld und -frei­be­trä­gen für voll­jäh­ri­ge Kin­der wird dann auf die Ein­kom­mens­über­prü­fung der Kin­der ver­zich­tet. Eine Erwerbs­tä­tig­keit des Kin­des bleibt dann gene­rell bis zum Abschluss der ers­ten Berufs­aus­bil­dung oder des Erst­stu­di­ums unbe­rück­sich­tigt, es sei denn, das Kind befin­det sich in einer Über­gangs­zeit oder kann die Berufs­aus­bil­dung man­gels Aus­bil­dungs­platz nicht begin­nen. Nach der Aus­bil­dung oder dem Stu­di­um gilt die wider­leg­ba­re Ver­mu­tung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unter­hal­ten. Der Ver­zicht auf die Ein­kom­mens­prü­fung gilt eben­so beim Unter­halts­höchst­be­trag und Aus­bil­dungs­frei­be­trag.

  • Kin­der­frei­be­trag: Die Vor­schrif­ten zur Über­tra­gung der steu­er­li­chen Frei­be­trä­ge für Kin­der von geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt leben­den Eltern wer­den ab 2012 ver­ein­facht.

  • Ver­bil­lig­te Ver­mie­tung: Statt zwei­er Gren­zen bei der ver­bil­lig­ten Ver­mie­tung einer Woh­nung (56 % der orts­üb­li­chen Mie­te als Unter­gren­ze für den vol­len Wer­bungs­kos­ten­ab­zug, 75 % für den Ver­zicht auf eine Über­schuss­pro­gno­se) soll es nur noch einen Pro­zent­satz geben. Wird mehr als 66 % der orts­üb­li­chen Mie­te gezahlt, gilt die Ver­mie­tung als voll­ent­gelt­lich und ermög­licht den vol­len Wer­bungs­kos­ten­ab­zug, ohne dass eine Über­schuss­pro­gno­se not­wen­dig wird. Die­se Ände­rung gilt ab dem 1. Janu­ar 2012. Bis dahin bleibt also noch Zeit, Miet­ver­trä­ge anzu­pas­sen, um einen teil­wei­sen Aus­schluss der Wer­bungs­kos­ten wegen einer zu nied­ri­gen Mie­te ab 2012 zu ver­mei­den.

  • Krank­heits­kos­ten: Die bis­he­ri­gen Vor­ga­ben für den Nach­weis von Krank­heits­kos­ten als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung wer­den jetzt gesetz­lich fest­ge­schrie­ben. Das ist eine Reak­ti­on auf die Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs, nach der ein amts­ärzt­li­ches Attest vor Beginn der Behand­lung nicht mehr zwin­gend not­wen­dig war. Mit der Geset­zes­än­de­rung bleibt die­se Anfor­de­rung jedoch wei­ter­hin bestehen, da die Ände­rung in allen noch nicht bestands­kräf­ti­gen Fäl­len gilt.

  • Betriebs­fort­füh­rungs­fik­ti­on: Für die Fäl­le einer Betriebs­ver­pach­tung im Gan­zen oder einer Betriebs­un­ter­bre­chung wird eine Betriebs­fort­füh­rungs­fik­ti­on ein­ge­führt. Das bedeu­tet, dass der Betrieb so lan­ge als fort­ge­führt gilt, bis ent­we­der der Inha­ber gegen­über dem Finanz­amt aus­drück­lich die Betriebs­auf­ga­be erklärt, oder dem Finanz­amt Tat­sa­chen bekannt wer­den, aus denen sich ergibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen für eine Betriebs­auf­ga­be erfüllt sind. Damit wird einer­seits Rechts­si­cher­heit für die Betrof­fe­nen her­ge­stellt, und ande­rer­seits stellt der Staat die Besteue­rung von stil­len Reser­ven bei einer schlei­chen­den Betriebs­auf­ga­be sicher, weil kei­ne Fest­set­zungs­ver­jäh­rung mehr ein­tre­ten kann. Den Zeit­punkt der Betriebs­auf­ga­be kann der Inha­ber damit mehr oder weni­ger frei wäh­len, muss dies aber inner­halb von drei Mona­ten gegen­über dem Finanz­amt erklä­ren. Die­se Ände­rung gilt für eine Betriebs­auf­ga­be nach dem Tag der Geset­zes­ver­kün­dung, auf den Ter­min der Auf­ga­be­er­klä­rung kommt es nicht an.

  • Ehe­gat­ten­ver­an­la­gung: Statt der geplan­ten Tarif­min­de­rungs­re­ge­lung wird ein Wahl­recht zwi­schen Ein­zel- und Zusam­men­ver­an­la­gung ein­ge­führt. Wich­tig ist vor allem, dass die Getrennt­ver­an­la­gung durch eine Ein­zel­ver­an­la­gung ersetzt wird. Die steu­er­lich berück­sich­ti­gungs­fä­hi­gen Pri­vat­aus­ga­ben (Son­der­aus­ga­ben, außer­ge­wöhn­li­che Belas­tun­gen, Hand­wer­k­erleis­tun­gen und haus­halts­na­he Dienst­leis­tun­gen) wer­den dabei dem Ehe­gat­ten zuge­ord­net, der die Auf­wen­dun­gen wirt­schaft­lich getra­gen hat. Auf gemein­sa­men Antrag ist aber auch eine hälf­ti­ge Auf­tei­lung der Auf­wen­dun­gen auf bei­de Ehe­gat­ten mög­lich. All die­se Ände­run­gen bei der Ehe­gat­ten­ver­an­la­gung sol­len erst ab 2013 gel­ten.

  • Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge: Die Bei­trags­er­stat­tun­gen aus einer Basis­kran­ken­ver­si­che­rung oder Pfle­ge­ver­si­che­rung sowie steu­er­freie Zuschüs­se zu sol­chen Ver­si­che­run­gen wer­den mit den gezahl­ten Bei­trä­gen ver­rech­net. Fal­len die Erstat­tun­gen oder Zuschüs­se höher aus als die Bei­trä­ge, wird der Über­hang dem Ein­kom­men zuge­schla­gen. Bei Erstat­tung ande­rer als Son­der­aus­ga­ben gel­tend gemach­ter Auf­wen­dun­gen gilt das glei­che.

  • Kapi­tal­erträ­ge: Kapi­tal­erträ­ge, die der Abgel­tungs­teu­er unter­lie­gen, wer­den ab 2012 bei der Ermitt­lung des Spen­den­ab­zugs­vo­lu­mens, der zumut­ba­ren Eigen­be­las­tung bei außer­ge­wöhn­li­chen Belas­tun­gen oder dem Abzug von Unter­halts­leis­tun­gen nicht mehr berück­sich­tigt.

  • Genos­sen­schafts­aus­schüt­tun­gen: Genos­sen­schaf­ten sol­len künf­tig bei Gewinn­aus­schüt­tun­gen prü­fen, ob eine Befrei­ung vom Kapi­tal­ertrag­steu­er­ab­zug gege­ben ist, bei­spiels­wei­se ein Frei­stel­lungs­auf­trag, der einer Genos­sen­schafts­bank vor­liegt.

  • Pflicht­ver­an­la­gun­gen: Arbeit­neh­mer mit gerin­gem Ein­kom­men, die eine hohe Min­dest­vor­sor­ge­pau­scha­le für die Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung auf­wei­sen, müs­sen kei­ne Steu­er­erklä­rung mehr abge­ben, wenn ihr Ein­kom­men die diver­sen gesetz­li­chen Frei­be­trä­ge ohne­hin nicht über­schrei­tet. Das ist der Fall bei einem Ein­kom­men von bis zu 10.200 Euro bei Sin­gles und 19.400 Euro bei Ehe­gat­ten. Die­se Ände­rung gilt rück­wir­kend ab 2010.

  • Abga­be­fris­ten: Für Land- und Forst­wir­te mit abwei­chen­dem Wirt­schafts­jahr gilt nun eben­falls die Regel­ab­ga­be­frist von 5 Mona­ten statt wie bis­her nur 3 Mona­te, und zwar bereits rück­wir­kend für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2010.

  • Holz­nut­zun­gen: Das Ver­fah­ren zur Ermitt­lung der zu begüns­ti­gen­den Ein­künf­te aus außer­or­dent­li­chen Holz­nut­zun­gen wird ab 2012 wesent­lich ver­ein­facht. Außer­dem wer­den die Vor­ga­ben und Pausch­sät­ze für die pau­scha­lier­te Ermitt­lung der Gewin­ne aus Holz­nut­zun­gen geän­dert.

  • Erb­schaft­steu­er: Beim Ver­scho­nungs­ab­schlag für Betriebs­ver­mö­gen wird ein neu­es Fest­stel­lungs­ver­fah­ren für die Aus­gangs­lohn­sum­me und die Anzahl der Beschäf­tig­ten ein­ge­führt, um spä­te­re Rechts­un­si­cher­hei­ten zu ver­mei­den. Auch für das Ver­wal­tungs­ver­mö­gen und das jun­ge Ver­wal­tungs­ver­mö­gen wird ein Fest­stel­lungs­ver­fah­ren ein­ge­führt. Dies gilt für Erb­schaf­ten oder Schen­kun­gen seit dem 1. Juli 2011.

  • Stif­tun­gen: Recht­lich unselbst­stän­di­ge Stif­tun­gen wer­den beim Kapi­tal­ertrag­steu­er­ab­zug mit recht­lich selbst­stän­di­gen Stif­tun­gen gleich­ge­stellt.

  • Spen­den­nach­weis: Die bis­her immer nur im Ein­zel­fall gere­gel­ten Erleich­te­run­gen für den Nach­weis von Spen­den in Kata­stro­phen­fäl­len wer­den ab 2011 gesetz­lich fest­ge­schrie­ben.

  • Daten­über­mitt­lung: Bei der voll­elek­tro­ni­schen Über­mitt­lung von Steu­er­da­ten wird ab 2013 eine obli­ga­to­ri­sche Authen­ti­fi­zie­rung des Daten­über­mitt­lers vor­ge­schrie­ben.

  • Ver­bind­li­che Aus­kunft: Ver­bind­li­che Aus­künf­te des Finanz­amts sind künf­tig nur noch bei einem Gegen­stands­wert von mehr als 10.000 Euro gebüh­ren­pflich­tig. Die­se Baga­tell­gren­ze gilt dann, wenn der Antrag nach der Geset­zes­ver­kün­dung beim Finanz­amt ein­geht.