Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens beschlossen

Das Gesetz bringt längere Fristen für die Steuererklärung, einen zwingenden Verspätungszuschlag für verspätete Steuererklärungen und mehr Automatisierung bei den Finanzämtern.

Von der Steu­er­erklä­rung über den Steu­er­be­scheid bis hin zu einem mög­li­chen Rechts­be­helf soll das Steu­er­ver­fah­ren ab 2017 voll­stän­dig elek­tro­nisch erle­digt wer­den kön­nen. Das ist der Kern des Geset­zes zur Moder­ni­sie­rung des Besteue­rungs­ver­fah­rens, das Bun­des­tag und Bun­des­rat noch vor der par­la­men­ta­ri­schen Som­mer­pau­se ver­ab­schie­det haben. Eine Ver­pflich­tung zur elek­tro­ni­schen Abwick­lung des Steu­er­ver­fah­rens ist — von den bereits bestehen­den Pflich­ten zur elek­tro­ni­schen Abga­be der Steu­er­erklä­rung ein­mal abge­se­hen — aber nicht vor­ge­se­hen.

Mit dem Gesetz soll also in ers­ter Linie mehr Auto­ma­ti­sie­rung in die Finanz­äm­ter Ein­zug hal­ten. Das Mehr an Tech­nik wird durch ein Weni­ger an Papier beglei­tet, was wie­der­um die Steu­er­zah­ler in man­chen Punk­ten eben­falls ent­las­tet. Es gibt aber auch neue Vor­ga­ben, die zu beach­ten sind, ins­be­son­de­re beim Ver­spä­tungs­zu­schlag. Das Gesetz ent­hält vie­le Detail­än­de­run­gen und soll mit eini­gen Aus­nah­men zum 1. Janu­ar 2017 in Kraft tre­ten. Hier ist ein Über­blick über die wich­tigs­ten Ände­run­gen.

  • Steu­er­erklä­rungs­fris­ten: Die Fris­ten für die Steu­er­erklä­run­gen wer­den um zwei Mona­te ver­län­gert. Ohne Steu­er­be­ra­ter sind die Erklä­run­gen damit zum 31. Juli des Fol­ge­jah­res fäl­lig. Für die vom Steu­er­be­ra­ter erstell­ten Steu­er­erklä­run­gen bleibt dann sogar bis Ende Febru­ar des über­nächs­ten Jah­res Zeit, sofern das Finanz­amt die Erklä­rung nicht extra vor­ab anfor­dert. Die Finanz­äm­ter hof­fen durch die­se Ände­rung auf deut­lich weni­ger Frist­ver­län­ge­rungs­an­trä­ge. Die län­ge­ren Fris­ten gel­ten erst­mals für die für 2018 abzu­ge­ben­den Steu­er­erklä­run­gen.

  • Vor­ab­an­for­de­rung: Das Finanz­amt kann die vom Steu­er­be­ra­ter erstell­te Steu­er­erklä­rung in eini­gen Fäl­len schon vor Ende der auf 14 Mona­te ver­län­ger­ten Abga­be­frist anfor­dern. Dazu gehö­ren ins­be­son­de­re Betriebs­er­öff­nun­gen und -auf­ga­ben, eine anste­hen­de Außen­prü­fung, sowie Fäl­le, in denen die Vor­aus­zah­lun­gen her­ab­ge­setzt wur­den, eine Abschluss­zah­lung von mehr als 10.000 Euro zu erwar­ten ist oder Ver­lus­te für einen Gesell­schaf­ter fest­zu­stel­len sind. Dane­ben kön­nen die Finanz­äm­ter einen bestimm­ten Anteil der Erklä­run­gen nach einem auto­ma­ti­sier­ten Zufalls­ver­fah­ren vor­ab anfor­dern. Für eine vor­ab ange­for­der­te Erklä­rung blei­ben dann vier Mona­te Zeit.

  • Ver­spä­tungs­zu­schlag: Gleich­zei­tig mit den län­ge­ren Steu­er­erklä­rungs­fris­ten gel­ten auch neue Regeln für den Ver­spä­tungs­zu­schlag. War die Fest­set­zung bis­her immer ins Ermes­sen des Finanz­amts gestellt, muss das Finanz­amt künf­tig zwin­gend einen Ver­spä­tungs­zu­schlag fest­set­zen, wenn kei­ne Frist­ver­län­ge­rung bean­tragt wur­de und die Steu­er­erklä­rung nicht 14 Mona­te nach Ablauf des Ver­an­la­gungs­zeit­raums oder Besteue­rungs­zeit­punkts beim Finanz­amt ist. Für jeden ange­fan­ge­nen Monat der Ver­spä­tung sind dann 0,25 % der fest­ge­setz­ten Steu­er, min­des­tens aber 25 Euro fäl­lig. Sind meh­re­re Per­so­nen zur Abga­be der Steu­er­erklä­rung ver­pflich­tet, kann das Finanz­amt ent­schei­den, gegen wen es den Zuschlag fest­setzt. Die­se Per­so­nen müs­sen dann gesamt­schuld­ne­risch den Ver­spä­tungs­zu­schlag zah­len.

  • Aus­nah­men: Aus­ge­nom­men vom zwin­gen­den Ver­spä­tungs­zu­schlag sind Steu­er­fest­set­zun­gen über Null Euro und Erstat­tungs­fäl­le, bei denen der Ver­spä­tungs­zu­schlag wei­ter­hin im Ermes­sen des Finanz­amts liegt. Auch eine jähr­lich abzu­ge­ben­de Lohn­steu­er­an­mel­dung ist aus­drück­lich aus­ge­nom­men. Zudem gibt es noch eine Bil­lig­keits­re­ge­lung für Fäl­le, in denen der Steu­er­zah­ler vom Finanz­amt erst­mals zur Abga­be einer Steu­er­erklä­rung auf­ge­for­dert wird. Wer bis zu die­ser Auf­for­de­rung davon aus­ge­hen konn­te, kei­ne Steu­er­erklä­rung abge­ben zu müs­sen, muss erst nach Ablauf der in der Auf­for­de­rung genann­ten Frist mit einem Ver­spä­tungs­zu­schlag rech­nen.

  • Steu­er­erklä­rung: Mit der Steu­er­erklä­rung müs­sen künf­tig weni­ger Bele­ge ein­ge­reicht wer­den. Vie­le Daten (z. B. Lohn und ein­be­hal­te­ne Lohn­steu­er, Ren­ten­leis­tun­gen, Ren­ten- und Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge sowie Lohn­er­satz­leis­tun­gen) wer­den schon heu­te von den zustän­di­gen Stel­len elek­tro­nisch ans Finanz­amt über­mit­telt und bei Bear­bei­tung der Steu­er­erklä­rung mit den dar­in ent­hal­te­nen Anga­ben abge­gli­chen. Weil die Steu­er­zah­ler von den zustän­di­gen Stel­len ohne­hin über die ans Finanz­amt über­mit­tel­ten Daten infor­miert wer­den müs­sen, brau­chen die Anga­ben nicht mehr in die Steu­er­erklä­rung über­tra­gen zu wer­den, wenn der Steu­er­zah­ler die mit­ge­teil­ten Daten für rich­tig hält. In die­sem Fall gel­ten die von Drit­ten über­mit­tel­ten Anga­ben als vom Steu­er­zah­ler ange­ge­ben, und die Steu­er­erklä­rung ist in die­ser Hin­sicht auto­ma­tisch voll­stän­dig. Sind die Daten zu Unguns­ten des Steu­er­zah­lers unrich­tig, muss der Steu­er­be­scheid geän­dert wer­den, und zwar auch dann, wenn der Feh­ler erst nach Ablauf der Ein­spruchs­frist bemerkt wird.

  • Spen­den­be­schei­ni­gun­gen: Spen­den­be­schei­ni­gun­gen müs­sen nur noch auf Anfor­de­rung dem Finanz­amt vor­ge­legt wer­den. Die begüns­tig­te Orga­ni­sa­ti­on kann mit Zustim­mung des Spen­ders die Spen­de auch direkt elek­tro­nisch an die Finanz­ver­wal­tung mel­den, womit dann auch die Beleg­vor­hal­te­pflicht weg­fällt. Andern­falls sind Spen­den­be­schei­ni­gun­gen ein Jahr ab Erhalt des Steu­er­be­scheids auf­zu­be­wah­ren, sofern sie nicht ohne­hin schon dem Finanz­amt vor­ge­legt wur­den.

  • Daten­über­mitt­lung: Der recht­li­che Rah­men für die elek­tro­ni­schen Daten­über­mitt­lungs­pflich­ten von Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen wird ver­ein­heit­licht. Nur noch ver­fah­rens­spe­zi­fi­sche Son­der­re­geln für ein­zel­ne Daten­über­mitt­lungs­pflich­ten von Arbeit­ge­bern, Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­gern, Ver­si­che­run­gen und Ban­ken wer­den in den jewei­li­gen Spe­zi­al­ge­set­zen gere­gelt.

  • Auto­ma­ti­sier­te Ver­an­la­gung: Die Abga­ben­ord­nung ent­hält nun gesetz­li­che Rege­lun­gen zu voll­au­to­ma­tisch von Com­pu­tern erlas­se­nen Steu­er­be­schei­den. Risi­ko­ma­nage­ment­sys­te­me sol­len dann den Finanz­be­am­ten nur noch die wirk­lich prü­fungs­be­dürf­ti­gen Fäl­le für eine manu­el­le Ver­an­la­gung zuwei­sen. Ein Anlass für eine indi­vi­du­el­le Prü­fung liegt zum Bei­spiel vor, wenn der Steu­er­zah­ler expli­zit um Prü­fung eines bestimm­ten Sach­ver­halts bit­tet oder auf eine abwei­chen­de Rechts­auf­fas­sung hin­weist oder wenn Abwei­chun­gen zwi­schen den Anga­ben in der Steu­er­erklä­rung und den von Drit­ten über­mit­tel­ten Daten vor­lie­gen. Bei der auto­ma­ti­sier­ten Ver­an­la­gung soll die Steu­er­erklä­rung dabei genau­so inten­siv wie bis­her geprüft wer­den, nur eben durch Soft­ware und nicht mehr von einem Finanz­be­am­ten.

  • Elek­tro­ni­sche Beschei­de: Mit Ein­ver­ständ­nis des Steu­er­zah­lers sol­len Beschei­de, Ein­spruchs­ent­schei­dun­gen, Prü­fungs­an­ord­nun­gen und ande­re Ver­wal­tungs­ak­te zum elek­tro­ni­schen Abruf bereit­ge­stellt wer­den kön­nen. Wer der elek­tro­ni­schen Bekannt­ga­be zustimmt, bekommt eine Benach­rich­ti­gung per E-Mail, sobald ein Bescheid oder ande­res Doku­ment zum Abruf bereit­ge­stellt wur­de. Wie bei der Zustel­lung per Post gilt der Ver­wal­tungs­akt dann am drit­ten Tag nach Ver­sand der Benach­rich­ti­gung als bekannt gege­ben. Die Zustim­mung kann jeder­zeit wider­ru­fen wer­den, aller­dings nur mit Wir­kung für die Zukunft.

  • Rechen- und Schreib­feh­ler: Wenn beim Aus­fül­len der Steu­er­erklä­rung Rechen- oder Schreib­feh­ler pas­siert sind, war bis­her nur im Aus­nah­me­fall eine spä­te­re Kor­rek­tur eines bestands­kräf­ti­gen Steu­er­be­scheids mög­lich. Künf­tig wird die Auf­he­bung oder Ände­rung von Steu­er­be­schei­den vor­ge­schrie­ben, falls dem Steu­er­zah­ler bei der Erstel­lung sei­ner Steu­er­erklä­rung Schreib- oder Rechen­feh­ler unter­lau­fen sind und er des­halb dem Finanz­amt rechts­er­heb­li­che Tat­sa­chen nicht mit­ge­teilt hat. Damit wird eine lang­jäh­ri­ge Dis­kus­si­on im Inter­es­se der Steu­er­zah­ler zum Abschluss gebracht.

  • Amts­er­mitt­lungs­grund­satz: Neben Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, Gleich­mä­ßig­keit und Recht­mä­ßig­keit sol­len die Finanz­äm­ter bei ihren Maß­nah­men künf­tig auch Wirt­schaft­lich­keit und Zweck­mä­ßig­keit im Auge behal­ten. Das soll aber nicht zu einem Ver­zicht auf die Über­prü­fung der Ein­hal­tung steu­er­recht­li­cher Vor­schrif­ten füh­ren. Zur Gewähr­leis­tung der Gleich­mä­ßig­keit und Gesetz­mä­ßig­keit der Besteue­rung muss daher auch immer eine hin­rei­chen­de Anzahl zufäl­lig aus­ge­wähl­ter Fäl­le durch Finanz­be­am­te ver­tieft geprüft wer­den.

  • Akti­vie­rungs­ge­bot: Bei der Akti­vie­rung selbst her­ge­stell­ter Wirt­schafts­gü­ter des Anla­ge­ver­mö­gens wird das steu­er­recht­li­che Akti­vie­rungs­ge­bot für Kos­ten der all­ge­mei­nen Ver­wal­tung sowie Auf­wen­dun­gen für sozia­le Ein­rich­tun­gen des Betriebs, für frei­wil­li­ge sozia­le Leis­tun­gen und für die betrieb­li­che Alters­ver­sor­gung dem han­dels­recht­li­chen Akti­vie­rungs­wahl­recht ange­gli­chen. Die­se Kos­ten brau­chen also künf­tig nicht mehr extra für die Steu­er­bi­lanz ermit­telt wer­den, wenn sie auch in der Han­dels­bi­lanz nicht akti­viert wor­den sind.

  • Steu­er­be­schei­ni­gun­gen: Nach gel­ten­der Rechts­la­ge müs­sen Ban­ken eine Steu­er­be­schei­ni­gung auf Papier aus­dru­cken und an ihre Kun­den ver­sen­den. Künf­tig ist auch eine elek­tro­ni­sche Über­mitt­lung der Steu­er­be­schei­ni­gung durch die Bank zuläs­sig. Auf Wunsch des Kun­den muss die Beschei­ni­gung aber wei­ter­hin in Papier­form aus­ge­stellt und zuge­schickt wer­den.

  • Behin­der­ten-Pausch­be­trag: Sobald die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen dafür geschaf­fen wur­den, müs­sen die zustän­di­gen Behör­den dem Finanz­amt ihre Fest­stel­lun­gen zur Behin­de­rung elek­tro­nisch über­mit­teln, um den Behin­der­ten-Pausch­be­trag in Anspruch neh­men zu kön­nen. Die Über­mitt­lung erfolgt jedoch nur auf aus­drück­li­chen Antrag des Betrof­fe­nen. Außer­dem gel­ten die dem Finanz­amt zu die­sem Zeit­punkt bereits vor­lie­gen­den Nach­wei­se für eine Behin­de­rung bis zum Ende ihrer Gül­tig­keit wei­ter als Nach­weis für den Pausch­be­trag.

  • Ver­bind­li­che Aus­künf­te: Künf­tig muss das Finanz­amt über einen Antrag auf Ertei­lung einer ver­bind­li­chen Aus­kunft inner­halb von sechs Mona­ten ab Ein­gang ent­schei­den oder dem Antrag­stel­ler eine län­ge­re Dau­er unter Anga­be der Grün­de mit­tei­len. Dar­über hin­aus wur­de die gesetz­li­che Grund­la­ge für gemein­schaft­li­che Anträ­ge meh­re­rer Betei­lig­ter geschaf­fen. In so einem Fall soll eine für alle Betei­lig­ten ein­heit­li­che ver­bind­li­che Aus­kunft erteilt wer­den. Im Gegen­zug wird auch die Gebühr für die Aus­kunft, für die dann alle Antrag­stel­ler Gesamt­schuld­ner sind, ins­ge­samt nur ein­mal fäl­lig.

  • Län­der­über­grei­fen­der Daten­ab­ruf: Um die Bekämp­fung der Steu­er­hin­ter­zie­hung in beson­de­ren Fäl­len zu erleich­tern, sol­len die Finanz­be­hör­den des Bun­des und der Län­der ein­an­der den gegen­sei­ti­gen Abruf gespei­cher­ter Daten ermög­li­chen.