Geplante Änderungen bei der Mehrwertsteuer

Die EU-Kommission arbeitet an einer Überarbeitung und Modernisierung des Mehrwertsteuersystems und hat den Mitgliedsstaaten ihre Änderungsvorschläge vorgelegt.

Die Umsatz­steu­er gehört zwei­fel­los zu den fal­len­reichs­ten und kom­ple­xes­ten Tei­len des Steu­er­rechts. Das liegt nicht zuletzt dar­an, dass das Umsatz­steu­er­recht im Wesent­li­chen von der EU über Richt­li­ni­en gere­gelt wird, die dann jeweils in natio­na­les Recht umge­setzt wer­den. Die EU-Kom­mis­si­on will die Mehr­wert­steu­er­richt­li­ni­en nun an vie­len Stel­len über­ar­bei­ten, um ins­be­son­de­re die Rah­men­be­din­gun­gen für den elek­tro­ni­schen Geschäfts­ver­kehr in der EU zu ver­bes­sern.

Zu den Vor­schlä­gen der Kom­mis­si­on müs­sen die Mit­glieds­staa­ten nun Stel­lung neh­men, bevor die Ände­run­gen auf EU-Ebe­ne fina­li­siert wer­den. Danach steht noch die Umset­zung in deut­sches Recht an. All das braucht sei­ne Zeit, wes­halb die ers­ten Ände­run­gen frü­hes­tens 2018 in Kraft tre­ten kön­nen. Für die meis­ten Ände­run­gen ist eine Umset­zung bis 2021 vor­ge­se­hen. Die hier zusam­men­ge­fass­ten Vor­schlä­ge der EU sind noch nicht end­gül­tig, aber der Über­blick zusam­men mit der vom Bun­des­rat ver­tre­te­ne Mei­nung zu den ein­zel­nen Ände­run­gen gibt einen guten Ein­druck, wel­che Ände­run­gen im Umsatz­steu­er­recht in den nächs­ten Jah­ren zu erwar­ten sind.

  • Ver­wal­tungs­ko­or­di­na­ti­on: Ver­schie­de­ne Ände­run­gen der Ver­ord­nung über die Zusam­men­ar­beit der Ver­wal­tungs­be­hör­den und die Betrugs­be­kämp­fung opti­mie­ren die IT-Infra­struk­tur der Ver­wal­tungs­be­hör­den. Das soll die Basis schaf­fen für die not­wen­di­ge Zusam­men­ar­beit der Mit­glied­staa­ten, um das MOSS-Ver­fah­ren (Mini One-Stop Shop) erfolg­reich auf Dienst­leis­tun­gen jen­seits elek­tro­nisch erbrach­ter und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­tun­gen aus­zu­wei­ten. Gegen das Paket hat der Bun­des­rat gewis­se Beden­ken. Ins­be­son­de­re sehen die Bun­des­län­der kei­nen Grund, war­um die EU-Kom­mis­si­on Zugang zu den im Rah­men des MOSS-Ver­fah­rens erho­be­nen Daten bräuch­te.

  • Steu­er­schuld­ner­schaft: Ein lang­fris­ti­ges Ziel der Kom­mis­si­on ist die Schaf­fung eines robus­ten, ein­heit­li­chen euro­päi­schen Mehr­wert­steu­er­raums. Das Euro­päi­sche Par­la­ment und der Rat haben sich dar­auf geei­nigt, dass die­ses end­gül­ti­ge Mehr­wert­steu­er­sys­tem eine Besteue­rung im Bestim­mungs­land der Gegen­stän­de (“Bestim­mungs­land­prin­zip”) vor­sieht, woge­gen das momen­ta­ne Sys­tem auf der Steu­er­be­frei­ung von Lie­fe­run­gen im Mit­glied­staat der Aus­fuhr basiert. Weil die Aus­ar­bei­tung und Umset­zung einer sol­chen gro­ßen Ände­rung eini­ge Jah­re brau­chen wird, will die Kom­mis­si­on als Sofort­maß­nah­me zur Bekämp­fung des Mehr­wert­steu­er­be­trugs die befris­te­te Anwen­dung einer gene­rel­len Umkeh­rung der Steu­er­schuld­ner­schaft (Rever­se-Char­ge-Ver­fah­ren) zulas­sen. EU-Staa­ten, die beson­ders unter Umsatz­steu­er­be­trug lei­den, kön­nen dann bei allen inlän­di­schen Lie­fe­run­gen ab einem Rech­nungs­schwel­len­wert von 10.000 Euro das Rever­se-Char­ge-Ver­fah­ren vor­schrei­ben. Die bis­he­ri­ge Beschrän­kung des Rever­se-Char­ge-Ver­fah­rens auf bestimm­te Waren oder Bran­chen wür­de also weg­fal­len. Grund­sätz­lich begrüßt der Bun­des­rat die­sen Vor­schlag, wünscht sich aber einen nied­ri­ge­ren Schwel­len­wert für die Anwen­dung des Rever­se-Char­ge-Ver­fah­rens.

  • Klein­un­ter­neh­mer: Um klei­nen Unter­neh­men den Zugang zum Bin­nen­markt zu erleich­tern, sol­len ab 2018 Umsatz­gren­zen für die ver­pflich­ten­de Anwen­dung der 2015 umge­setz­ten EU-Vor­ga­ben für elek­tro­ni­sche Dienst­leis­tun­gen ein­ge­führt wer­den. Beträgt der Jah­res­um­satz mit grenz­über­schrei­ten­den elek­tro­ni­schen Dienst­leis­tun­gen nicht mehr als 10.000 Euro, darf das Unter­neh­men den EU-Staat, in dem es sei­nen Sitz hat, als Ort der Dienst­leis­tungs­er­brin­gung wäh­len, was im Wesent­li­chen einer Befrei­ung von den nor­ma­len Vor­schrif­ten ent­spricht.

  • Klein­sen­dun­gen: Die Befrei­ung von der Ein­fuhr­um­satz­steu­er für Klein­sen­dun­gen soll abge­schafft wer­den. Das soll Nach­tei­le für Anbie­ter inner­halb der EU besei­ti­gen, die grund­sätz­lich Mehr­wert­steu­er ver­lan­gen müs­sen, wäh­rend Anbie­ter aus Dritt­staa­ten Waren umsatz­steu­er­frei an Ver­brau­cher ver­kau­fen kön­nen. Um dies prak­tisch umzu­set­zen, wird das MOSS-Ver­fah­ren auf Impor­te aus­ge­wei­tet. Ver­käu­fer und elek­tro­ni­sche Markt­plät­ze kön­nen dann von ihren Kun­den in der EU die Mehr­wert­steu­er zum Zeit­punkt des Ver­kaufs kas­sie­ren. Die­se Waren wer­den dann von einem beschleu­nig­ten Zoll­ver­fah­ren pro­fi­tie­ren. Alter­na­tiv kann der Trans­port­dienst­leis­ter die Mehr­wert­steu­er bei den Ver­brau­chern kas­sie­ren und an den Zoll abfüh­ren. Die­se Ände­rung begrüßt der Bun­des­rat aus­drück­lich, zumal den EU-Staa­ten durch die Ände­rung jähr­lich bis zu 5 Mrd. Euro an zusätz­li­chen Steu­er­ein­nah­men win­ken.

  • Bücher & Zeit­schrif­ten: Nach der aktu­el­len Richt­li­nie müs­sen elek­tro­nisch gelie­fer­te Ver­öf­fent­li­chun­gen mit dem Nor­mal­satz besteu­ert wer­den, wäh­rend tra­di­tio­nel­le, gedruck­te Ver­öf­fent­li­chun­gen von ermä­ßig­ten Steu­er­sät­zen pro­fi­tie­ren kön­nen. Elek­tro­ni­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen sind damit in den meis­ten EU-Staa­ten steu­er­lich schlech­ter gestellt, obwohl der Inhalt der Publi­ka­ti­on der­sel­be ist. Nach­dem seit 2015 die Mehr­wert­steu­er dort erho­ben wird, wo der Kun­de ansäs­sig ist, kann der Ver­käu­fer kei­nen Vor­teil mehr dar­aus zie­hen, im EU-Staat mit den nied­rigs­ten Mehr­wert­steu­er­sät­zen ansäs­sig zu sein. Die Kom­mis­si­on schlägt daher vor, allen EU-Mit­glie­dern die Mög­lich­keit ein­zu­räu­men, die­sel­ben Mehr­wert­steu­er­sät­ze auf elek­tro­ni­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen anzu­wen­den, die sie der­zeit auf Druck­ver­öf­fent­li­chun­gen anwen­den. Der Bun­des­rat hat die Aus­wei­tung des ermä­ßig­ten Steu­er­sat­zes auf E-Books begrüßt und die Bun­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert, für eine Umset­zung zu sor­gen.