Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen

Für Bauunternehmen gibt es durch ein neues Urteil und die Reaktion der Finanzverwaltung nun Rechtssicherheit bei der rückwirkenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für Leistungen an Bauträger.

Vor eini­gen Jah­ren ent­schied der Bun­des­fi­nanz­hof, dass ein Bau­trä­ger in der Regel nicht Steu­er­schuld­ner für bezo­ge­ne Bau­leis­tun­gen ist. Nach Ansicht des Bun­des­fi­nanz­hofs kommt es für die Umkehr der Steu­er­schuld­ner­schaft im Gegen­satz zur dama­li­gen Auf­fas­sung der Finanz­ver­wal­tung nicht auf den Anteil der Bau­leis­tun­gen an den Gesamt­um­sät­zen des Kun­den an, son­dern dar­auf, ob der Kun­de die Bau­leis­tung sei­ner­seits zur Erbrin­gung von Bau­leis­tun­gen ver­wen­det.

Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um hat­te das Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs damals prompt akzep­tiert und die Anwen­dung für alle Umsät­ze nach dem 14. Febru­ar 2014 ange­ord­net. Leis­tun­gen vor die­sem Datum konn­ten wei­ter nach der bis dahin gel­ten­den Ver­wal­tungs­auf­fas­sung behan­delt oder die Umkehr der Steu­er­schuld­ner­schaft nach den Grund­sät­zen des Urteils rück­gän­gig gemacht wer­den.

Um sich vor mas­si­ven Steu­er­aus­fäl­len durch eine ein­sei­ti­ge Rück­for­de­rung der ent­rich­te­ten Umsatz­steu­er durch die Bau­trä­ger zu schüt­zen, hat­te das Minis­te­ri­um außer­dem eine Geset­zes­än­de­rung in die Wege gelei­tet. Die­se sieht vor, dass die Steu­er vom Bau­un­ter­neh­mer ein­ge­for­dert wird, wenn der Bau­trä­ger eine Erstat­tung vom Finanz­amt for­dert. Der Bau­un­ter­neh­mer müss­te dann die Umsatz­steu­er nach­träg­lich vom Bau­trä­ger ein­for­dern, was aber mit erheb­li­chen Pro­ble­men und Risi­ken in der Pra­xis ver­bun­den ist. Alter­na­tiv kann der Bau­un­ter­neh­mer sei­ne Zah­lungs­ver­pflich­tung ans Finanz­amt erfül­len, indem er sei­nen Nach­zah­lungs­an­spruch gegen den Bau­trä­ger ans Finanz­amt abtritt.

Auf den ers­ten Blick schließt sich damit der Kreis. Doch in der Pra­xis blei­ben trotz die­ser Rege­lung für die Bau­un­ter­neh­mer in sol­chen Fäl­len erheb­li­che Risi­ken. Das beginnt bei Ver­jäh­rungs­fra­gen, geht über Stol­per­fal­len des Steu­er­rechts und endet bei einer mög­li­chen Insol­venz des Bau­trä­gers, die eine nach­träg­li­che Ein­for­de­rung der Umsatz­steu­er unmög­lich macht. Weil die Geset­zes­än­de­rung somit einen rück­wir­ken­den Ein­griff in den Ver­trau­ens­schutz der Bau­un­ter­neh­mer dar­stellt, gab es erheb­li­che Beden­ken, ob die Rege­lung über­haupt ver­fas­sungs­ge­mäß ist.

Ent­spre­chend zahl­reich waren die Aus­ein­an­der­set­zun­gen vor den Finanz­ge­rich­ten, die vor allem in Ver­fah­ren über die Aus­set­zung der Voll­zie­hung zu teils sehr unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen gelangt sind. Die Unsi­cher­heit hat nun mit einem Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs ihr Ende gefun­den. Die­ser hat ent­schie­den, dass die gesetz­li­che Rege­lung zwar prin­zi­pi­ell ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­sig ist, aber nur, wenn zwei wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind:

  1. Die Auf­he­bung des steu­er­recht­li­chen Ver­trau­ens­schut­zes durch die Geset­zes­än­de­rung ist nur zu recht­fer­ti­gen, wenn das Bestehen und die Abtret­bar­keit einer For­de­rung gegen den Bau­trä­ger nicht erst im Anschluss an die Ände­rung des Umsatz­steu­er­be­scheids, son­dern bereits im Fest­set­zungs­ver­fah­ren geklärt wer­den. Wenn der Bau­trä­ger bei­spiels­wei­se noch einen berech­tig­ten Gewähr­leis­tungs­an­spruch hat, ist kein abtret­ba­rer Anspruch vor­han­den. Das Finanz­amt darf die Umsatz­steu­er­fest­set­zung gegen­über dem Hand­wer­ker oder Bau­un­ter­neh­mer nach der Vor­ga­be des Bun­des­fi­nanz­hofs nur dann ändern, wenn die­ser tat­säch­lich einen abtret­ba­ren Anspruch auf Zah­lung der nach­träg­lich ent­stan­de­nen Umsatz­steu­er gegen den Bau­trä­ger hat.

  2. Die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, des Ver­trau­ens­schut­zes sowie von Treu und Glau­ben erfor­dern außer­dem, dass der Hand­wer­ker oder Bau­un­ter­neh­mer einen Rechts­an­spruch auf die Annah­me sei­nes Abtre­tungs­an­ge­bots hat, wenn er bei der Durch­set­zung des abge­tre­te­nen Anspruchs mit­wirkt.

Auch die­se Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs hat das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um akzep­tiert und sei­ne Ver­wal­tungs­an­wei­sung zur Hand­ha­bung sol­cher Fäl­le nun ent­spre­chend über­ar­bei­tet. Wenn der Bau­trä­ger die Erstat­tung der abge­führ­ten Umsatz­steu­er ver­langt, ändert das Finanz­amt die Umsatz­steu­er­fest­set­zung beim leis­ten­den Unter­neh­mer dann, wenn die­sem ein abtret­ba­rer Anspruch auf Zah­lung der Umsatz­steu­er gegen den Bau­trä­ger zusteht oder zuge­stan­den hat. Eine Ände­rung erfolgt also auch dann, wenn die­ser Anspruch bereits erlo­schen ist, weil der Kun­de die nach­ge­for­der­te Umsatz­steu­er schon an den Bau­un­ter­neh­mer gezahlt hat oder die­ser dar­auf ver­zich­tet hat.

Besteht der Anspruch dage­gen wei­ter, kann der Bau­un­ter­neh­mer die ent­stan­de­ne und von ihm geschul­de­te Umsatz­steu­er zivil­recht­lich gegen­über sei­nem Kun­den nach­träg­lich zusätz­lich zum Net­to-Ent­gelt gel­tend machen. Als recht­li­che Grund­la­ge für die­sen Anspruch sieht das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um die gesetz­li­chen Rege­lun­gen zu Ansprü­chen bei einer Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge, wenn bei­de Unter­neh­mer bei der Leis­tungs­er­brin­gung von einer Steu­er­schuld­ner­schaft des Leis­tungs­emp­fän­gers aus­ge­gan­gen sind und die Leis­tung ent­spre­chend abge­rech­net haben. Falls ver­trag­lich ein Abtre­tungs­ver­bot ver­ein­bart wur­de, greift die­ses hier nicht ein.

Ob der Bau­un­ter­neh­mer einen ent­spre­chen­den abtret­ba­ren Anspruch hat, wird vom zustän­di­gen Finanz­amt im Rah­men des Fest­set­zungs­ver­fah­rens geklärt. Dazu muss der Bau­un­ter­neh­mer dem Finanz­amt alle Infor­ma­tio­nen und Unter­la­gen zur Gel­tend­ma­chung sei­ner For­de­rung auf Zah­lung der gesetz­lich ent­stan­de­nen Umsatz­steu­er zur Ver­fü­gung stel­len. Dar­über hin­aus ist er ver­pflich­tet, alle ihm bekann­ten Umstän­de, die zu Ein­re­den, Ein­wen­dun­gen oder Auf­rech­nun­gen der For­de­rung füh­ren kön­nen, offen­zu­le­gen.

Lässt sich im Fest­set­zungs­ver­fah­ren man­gels Mit­wir­kung des Bau­un­ter­neh­mers nicht klä­ren, ob die­sem ein zivil­recht­li­cher Anspruch gegen den Leis­tungs­emp­fän­ger zusteht oder zuge­stan­den hat, soll das Finanz­amt davon aus­ge­hen, dass dies der Fall ist. Die Steu­er­fest­set­zung wird in die­sem Fall also ent­spre­chend geän­dert und die Steu­er beim Bau­un­ter­neh­mer ein­ge­for­dert, der dann von sei­ner Abtre­tungs­mög­lich­keit Gebrauch machen kann.

Nach Ände­rung der Steu­er­fest­set­zung muss das Finanz­amt dann die Abtre­tung des Anspruchs auf nach­träg­li­che Zah­lung der ent­stan­de­nen Umsatz­steu­er anneh­men. Die Abtre­tung ersetzt die Zah­lung der nach­träg­lich fäl­li­gen Umsatz­steu­er und führt damit zum Erlö­schen des Umsatz­steu­er­an­spruchs des Finanz­amts, wenn

  • der Bau­un­ter­neh­mer dem Kun­den eine erst­ma­li­ge oder geän­der­te Rech­nung mit offen aus­ge­wie­se­ner Umsatz­steu­er aus­stellt,

  • die Abtre­tung an das Finanz­amt wirk­sam bleibt,

  • dem Kun­den die Abtre­tung unver­züg­lich mit dem Hin­weis mit­ge­teilt wird, dass eine Zah­lung an den Bau­un­ter­neh­mer kei­ne schuld­be­frei­en­de Wir­kung mehr hat, und

  • der Bau­un­ter­neh­mer sei­ner Mit­wir­kungs­pflicht nach­kommt. Die Mit­wir­kungs­pflicht besteht ins­be­son­de­re im Nach­weis der Rich­tig­keit und des Bestehens der abge­tre­te­nen For­de­rung sowie der Wirk­sam­keit der Abtre­tung.

Die Rech­nungs­er­tei­lung mit Steu­er­aus­weis durch den leis­ten­den Unter­neh­mer ist kei­ne Vor­aus­set­zung für die Abtre­tung, son­dern nur Bedin­gung für die Erfül­lungs­wir­kung anstel­le einer Zah­lung. Außer­dem muss das Finanz­amt eine Abtre­tung auch dann noch anneh­men, wenn der leis­ten­de Unter­neh­mer die Umsatz­steu­er bereits ver­aus­lagt und ans Finanz­amt abge­führt oder durch Ver­rech­nung begli­chen hat. Der Unter­neh­mer bekommt die Zah­lung dann erstat­tet, weil er sie durch die Abtre­tung ersetzt hat.

Nach­dem die Finanz­ver­wal­tung jetzt die Vor­ga­ben des Bun­des­fi­nanz­hofs umge­setzt hat, ist für die betrof­fe­nen Hand­wer­ker und Bau­un­ter­neh­mer Rechts­si­cher­heit geschaf­fen wor­den. Zumin­dest sind die finan­zi­el­len Risi­ken, die die gesetz­li­che Rege­lung bis­her barg, weit­ge­hend eli­mi­niert wor­den. Unver­än­dert bestehen bleibt der enor­me Auf­wand, den die Rück­ab­wick­lung der Bau­trä­ger­fäl­le für die Betrof­fe­nen mit sich bringt. Mit einer von Anfang an kla­ren gesetz­li­chen Rege­lung zur Umkehr der Steu­er­schuld­ner­schaft hät­te die Finanz­ver­wal­tung viel Ärger für alle ver­mei­den kön­nen.