Bemessung der Grundsteuer ist verfassungswidrig

Wie erwartet hat das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer in ihrer aktuellen Form als verfassungswidrig eingestuft und verlangt bis Ende 2019 eine verfassungskonforme Neuregelung.

Mit einem jähr­li­chen Auf­kom­men von 13 Mrd. Euro gehört die Grund­steu­er zu den wich­tigs­ten Ein­nah­me­quel­len der Kom­mu­nen. Gleich­zei­tig ist sie schon lan­ge eine der kon­tro­ver­ses­ten Steu­ern. Poli­tisch umstrit­ten ist die Grund­steu­er, weil sie in ihrer jet­zi­gen Form die Spe­ku­la­ti­on mit Bau­land begüns­tigt und damit die Wohn­raum­knapp­heit eher för­dert als ihr ent­ge­gen­zu­wir­ken. Deut­lich älter ist die ver­fas­sungs­recht­li­che Kri­tik an der Grund­steu­er, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) nun bestä­tigt hat.

Die der Besteue­rung der­zeit zugrun­de­lie­gen­den Ein­heits­wer­te basie­ren näm­lich auf Wert­ver­hält­nis­sen aus den Jah­ren 1964 (West­deutsch­land) und 1935 (Ost­deutsch­land). Zu den heu­ti­gen Wer­ten von Grund­be­sitz und Gebäu­den hat die Bemes­sungs­grund­la­ge der Grund­steu­er also nur noch wenig Bezug. Das hat nicht nur den Bun­des­fi­nanz­hof ver­an­lasst, dem BVerfG gleich drei Fäl­le zur Prü­fung der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Grund­steu­er vor­zu­le­gen. Auch meh­re­re Immo­bi­li­en­be­sit­zer haben beim BVerfG Ver­fas­sungs­be­schwer­de gegen die Grund­steu­er ein­ge­legt.

Alle Ver­fah­ren stüt­zen sich dar­auf, dass sich die Wert­ver­hält­nis­se gegen­über den jahr­zehn­te­al­ten Bewer­tungs­stich­ta­gen für ver­schie­de­ne Lagen unter­schied­lich ent­wi­ckelt haben. Die gel­ten­de Besteue­rung, die die­se Wert­ent­wick­lung nicht wider­spie­gelt, sei daher gleich­heits­wid­rig. Die­ser Argu­men­ta­ti­on hat sich das BVerfG in vol­lem Umfang ange­schlos­sen und ent­schie­den, dass die Rege­lun­gen zur Bewer­tung des Grund­ver­mö­gens für die Grund­steu­er min­des­tens seit 2002 ver­fas­sungs­wid­rig sind.

Zwar hat der Gesetz­ge­ber bei der Wahl der Bemes­sungs­grund­la­ge und bei der Aus­ge­stal­tung der Bewer­tungs­re­geln einer Steu­er einen gro­ßen Spiel­raum. Ermög­li­chen die Bewer­tungs­re­geln aber ganz gene­rell kei­ne in ihrer Rela­ti­on rea­li­täts­na­he Bewer­tung, recht­fer­tigt selbst die Ver­mei­dung eines noch so gro­ßen Ver­wal­tungs­auf­wands nicht ihre Ver­wen­dung. Auch die gerin­ge Höhe einer Steu­er recht­fer­tigt die Ver­wen­dung sol­cher rea­li­täts­fer­nen Bewer­tungs­re­geln nicht, mei­nen die Ver­fas­sungs­rich­ter.

Sie haben dem Gesetz­ge­ber daher auf­ge­ge­ben, spä­tes­tens bis zum 31. Dezem­ber 2019 eine Neu­re­ge­lung der Grund­steu­er zu fin­den. Bis zu die­sem Zeit­punkt dür­fen die ver­fas­sungs­wid­ri­gen Regeln wei­ter ange­wandt wer­den. Nach Ver­kün­dung einer Neu­re­ge­lung dür­fen sie für wei­te­re fünf Jah­re ab der Ver­kün­dung, längs­tens also bis zum 31. Dezem­ber 2024 ange­wandt wer­den. Das BVerfG erkennt mit die­ser lan­gen Über­gangs­frist an, dass eine Neu­re­ge­lung der Grund­steu­er zwangs­läu­fig auch lang­wie­ri­ge Neu­be­wer­tun­gen des Grund­be­sit­zes erfor­dern wird.

Bund und Län­der ste­hen in den nächs­ten Mona­ten nun vor der Her­aus­for­de­rung, die Grund­steu­er kom­plett zu refor­mie­ren. Dass dies kei­ne ein­fa­che Auf­ga­be ist, liegt an vie­len wider­strei­ten­den Inter­es­sen, die bei einer Reform berück­sich­tigt wer­den wol­len: Die Kom­mu­nen wol­len nicht auf ihre Ein­nah­men ver­zich­ten, sodass eine neue Grund­steu­er zumin­dest das glei­che Auf­kom­men erzie­len soll. Immo­bi­li­en­be­sit­zern und Mie­tern glei­cher­ma­ßen ist dar­an gele­gen, dass die Reform mög­lichst kei­nen Anstieg der indi­vi­du­el­len Belas­tung mit sich bringt. Und für die Finanz­äm­ter soll die Fest­stel­lung der Bemes­sungs­grund­la­ge mit akzep­ta­blem Auf­wand mög­lich sein, was eine mög­lichst ein­fa­che Typi­sie­rung der ein­zel­nen Immo­bi­li­en vor­aus­setzt. Weil die Not­wen­dig­keit einer Reform nicht erst mit dem Urteil des BVerfG offen­sicht­lich war, gibt es bereits meh­re­re Alter­na­ti­ven, die dis­ku­tiert wer­den.

  • Ein­heits­wert: Theo­re­tisch könn­te die Grund­steu­er in ihrer bis­he­ri­gen Form fort­be­stehen, aber dazu müss­te für alle Immo­bi­li­en wie­der in regel­mä­ßi­gen Abstän­den eine Haupt­fest­stel­lung zur Bewer­tung des Grund­ver­mö­gens durch­ge­führt wer­den. Der dafür not­wen­di­ge Ver­wal­tungs­auf­wand ist jedoch so immens, dass die­se Alter­na­ti­ve kei­ne Chan­ce hat.

  • Boden­steu­er: Ein wei­te­res Modell, das bereits vie­le Ver­fech­ter gefun­den hat, ist eine rei­ne Boden­steu­er, bei der allein der Wert des Bodens die Höhe der Steu­er bestimmt. Die Bebau­ung der Grund­stü­cke bleibt unbe­rück­sich­tigt. Die­ses Kon­zept wür­de Spe­ku­la­tio­nen mit Bau­land ver­teu­ern und hät­te einen posi­ti­ven Effekt auf den Woh­nungs­markt, weil Inves­ti­tio­nen in Gebäu­de nicht mehr zu einer Steu­er­erhö­hung füh­ren wür­den.

  • Kos­ten­wert­mo­dell: Schon 2016 haben die Bun­des­län­der eine Reform der Grund­steu­er vor­ge­schla­gen, bei der sich die Grund­steu­er für unbe­bau­te Grund­stü­cke am Boden­richt­wert ori­en­tiert und für Gebäu­de einen Kos­ten­wert ein­führt, der sich nach deren Grund­flä­che und pau­scha­len Her­stel­lungs­kos­ten rich­tet, von denen ein alters­ab­hän­gi­ger Abschlag von bis zu 70 % erfolgt. Die­ses Modell ist im Bun­des­rat jedoch auf den Wider­stand von Bay­ern und Ham­burg gesto­ßen und daher nie im Bun­des­tag ein­ge­bracht wor­den.

  • Äqui­va­lenz­mo­dell: Als Gegen­vor­schlag zum Kos­ten­wert­mo­dell haben Bay­ern und Ham­burg ein deut­lich ein­fa­che­res Modell für die Grund­steu­er vor­ge­schla­gen, bei dem sich die Steu­er allein nach der Flä­che von Grund­stü­cken und Gebäu­den rich­tet. Damit wür­de der teils enor­me Anstieg der Immo­bi­li­en­prei­se ins­be­son­de­re in die­sen Bun­des­län­dern nicht auto­ma­tisch zu einer Steu­er­erhö­hung füh­ren.