Erbschaftsteuer ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem lange erwarteten Beschluss erklärt, dass die Erhebung der Erbschaftsteuer in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig ist.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die so lan­ge erwar­te­te Ant­wort auf die Fra­ge gege­ben, ob die Erb­schaft­steu­er ver­fas­sungs­wid­rig ist: Ja, sie ist es, lau­te­te am 31. Janu­ar 2007 nach fünf­jäh­ri­ger Bedenk­zeit schließ­lich die schrift­li­che Ent­schei­dung. Zur Begrün­dung gaben die Rich­ter an, dass im der­zei­ti­gen Sys­tem gra­vie­ren­de Brü­che und Män­gel vor­han­den sind: Bei bebau­ten Grund­stü­cken führt das star­re und kom­ple­xe Bewer­tungs­sys­tem dazu, dass man­che Immo­bi­li­en mit nur 20 %, ande­re mit mehr als 100 % ihres Ver­kehrs­werts ange­setzt wer­den. Beim Betriebs­ver­mö­gen sieht es ähn­lich aus: Gro­ße, ertrags­star­ke Betrie­be kön­nen sich mit­hil­fe von Abschrei­bun­gen und der Bil­dung stil­ler Reser­ven arm rech­nen. Das jet­zi­ge Bewer­tungs­ver­fah­ren führt zu will­kür­li­chen Ergeb­nis­sen und ver­letzt damit den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung.

Die Argu­men­ta­ti­on der Ver­fas­sungs­rich­ter lau­tet: Das Erb­schaft­steu­er­ge­setz legt für jede steu­er­pflich­ti­ge Ver­mö­gens­über­tra­gung einen Steu­er­ta­rif fest. Um über die­sen Tarif zu einem Steu­er­be­trag zu gelan­gen, muss der Erwerb einem Geld­be­trag ent­spre­chen. Für Immo­bi­li­en, Betriebs­ver­mö­gen und ande­re unba­re Ver­mö­gens­mas­se braucht man daher eine Bewer­tungs­me­tho­de, die zu einer Bemes­sungs­grund­la­ge für die Steu­er­schuld führt.

In der Wahl der Wert­ermitt­lungs­me­tho­de ist der Gesetz­ge­ber zwar grund­sätz­lich frei. Die Bewer­tungs­me­tho­den müs­sen aber gewähr­leis­ten, dass alle Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de in einem Annä­he­rungs­wert an den gemei­nen Wert erfasst wer­den. Indem der Gesetz­ge­ber schon bei der Bewer­tung auf ande­re und für unter­schied­li­che Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de ver­schie­de­ne Bewer­tungs­maß­stä­be abstellt, löst er sich von sei­ner Belas­tungs­grund­ent­schei­dung und legt damit struk­tu­rell Brü­che und Wer­tungs­wi­der­sprü­che des gesam­ten Rege­lungs­sys­tems an. Bei­spie­le:

  • Betrie­be wer­den anhand des Steu­er­bi­lanz­werts bewer­tet, was bereits struk­tu­rell die Annä­he­rung an den gemei­nen Wert ver­hin­dert. Für die zum Betriebs­ver­mö­gen gehö­ren­den Wirt­schafts­gü­ter gilt der Steu­er­bi­lanz­wert. Die­ser stimmt aber nur in Aus­nah­me­fäl­len mit dem Ver­kehrs­wert des Wirt­schafts­guts (Teil­wert) über­ein. So ent­ste­hen durch bilanz­po­li­ti­sche Maß­nah­men wie die Wahl von degres­si­ver oder linea­rer Abschrei­bung, Sofort- und Son­der­ab­schrei­bun­gen oder durch spä­te­re Wert­stei­ge­run­gen stil­le Reser­ven, die bei der Bewer­tung unbe­rück­sich­tigt blei­ben. Imma­te­ri­el­le Wirt­schafts­gü­ter blei­ben grund­sätz­lich unbe­rück­sich­tigt. Die erb­schaft­steu­er­li­che Bemes­sungs­grund­la­ge ist also davon abhän­gig, ob und in wel­chem Umfang der Erb­las­ser oder Schen­ker bilanz­po­li­ti­sche Maß­nah­men ergrif­fen hat.

  • Auch beim Grund­ver­mö­gen genügt die Bewer­tung nicht den Anfor­de­run­gen des Gleich­heits­sat­zes. Bei bebau­ten Grund­stü­cken wird bei­spiels­wei­se durch das vor­ge­schrie­be­ne ver­ein­fach­te Ertrags­wert­ver­fah­ren mit einem star­ren Ein­heits­ver­viel­fäl­ti­ger von 12,5 eine Bewer­tung mit dem gemei­nen Wert regel­mä­ßig ver­fehlt. Mit dem ver­ein­fach­ten Ertrags­wert­ver­fah­ren woll­te der Gesetz­ge­ber aus­weis­lich der Geset­zes­be­grün­dung eine Bewer­tung mit durch­schnitt­lich ca. 50 % des gemei­nen Werts errei­chen und durch die­se nied­ri­ge Erb­schafts­be­steue­rung Inves­ti­ti­ons­an­rei­ze für Grund­ver­mö­gen schaf­fen sowie die Bau- und Woh­nungs­wirt­schaft posi­tiv beein­flus­sen. Die­ser Ver­such einer steu­er­li­chen Len­kung auf der Bewer­tungs­ebe­ne steht aber im Wider­spruch zu den ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben.

  • Der Wert des Betriebs­teils von land- und forst­wirt­schaft­li­chem Ver­mö­gen bemisst sich eben­falls nach sei­nem Ertrags­wert.

Neben die­sen Bei­spie­len hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auch die Bewer­tung von unbe­bau­ten Grund­stü­cken, erb­bau­rechts­be­las­te­ten Grund­stü­cken und die Bewer­tung von Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten kri­ti­siert.

Was bedeu­tet das Urteil nun für Sie? Zunächst ist der Gesetz­ge­ber durch das Urteil ver­pflich­tet wor­den, spä­tes­tens bis zum 31. Dezem­ber 2008 eine Neu­re­ge­lung zu tref­fen. Bis zu die­ser Neu­re­ge­lung ist das bis­he­ri­ge Recht wei­ter anwend­bar. Es besteht also kein Anlass zu über­stürz­ten und unüber­leg­ten Ver­mö­gens­über­tra­gun­gen. Es ist auch nicht davon aus­zu­ge­hen, dass die Erb­schaft­steu­er für Immo­bi­li­en mas­siv erhöht wird, denn die höhe­re Bewer­tung muss nicht auto­ma­tisch zu einer höhe­ren Besteue­rung füh­ren.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat dem Gesetz­ge­ber sehr viel Spiel­raum gelas­sen, die Erben an ande­rer Stel­le zu ent­las­ten: “Dem Gesetz­ge­ber ist es unbe­nom­men, bei Vor­lie­gen aus­rei­chen­der Gemein­wohl­grün­de in einem zwei­ten Schritt der Bemes­sungs­grund­la­gen­er­mitt­lung mit­tels Ver­scho­nungs­re­ge­lun­gen den Erwerb bestimm­ter Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de zu begüns­ti­gen. Die Begüns­ti­gungs­wir­kun­gen müs­sen aus­rei­chend ziel­ge­nau und inner­halb des Begüns­tig­ten­krei­ses mög­lichst gleich­mä­ßig ein­tre­ten. Schließ­lich kann der Gesetz­ge­ber auch mit­tels Dif­fe­ren­zie­run­gen beim Steu­er­satz eine steu­er­li­che Len­kung ver­fol­gen.” Der Gesetz­ge­ber kann also durch­aus auch wei­ter­hin den Erwerb bestimm­ter Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de begüns­ti­gen.

Dass dies auch durch­aus geplant ist, lässt die Stel­lung­nah­me des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums zu dem Urteil ver­mu­ten: “Die Bun­des­re­gie­rung begrüßt die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts. Sie schafft Rechts­si­cher­heit ins­be­son­de­re dahin­ge­hend, dass auch künf­tig Dif­fe­ren­zie­run­gen, zum Bei­spiel bei den Steu­er­sät­zen, mög­lich blei­ben, sie aber nicht mehr in Bewer­tungs­vor­schrif­ten ver­steckt wer­den dür­fen.”

Wie sich die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts auf die anste­hen­de Reform der Unter­neh­mens­nach­fol­ge aus­wir­ken wird, bleibt noch abzu­war­ten. Zum einen gibt es Stim­men, die bezwei­feln, dass der bis­he­ri­ge Ent­wurf den Anfor­de­run­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts gerecht wird. Ande­re ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass die Bun­des­re­gie­rung mit der Mög­lich­keit der Steu­er­stun­dung und des Steu­er­erlas­ses einen Ent­wurf vor­ge­legt habe, der mit der jetzt vor­lie­gen­den Ent­schei­dung grund­sätz­lich ver­ein­bar sei, weil die Steu­er­ver­scho­nung nicht auf der bewer­tungs­recht­li­chen Ebe­ne statt­fin­det.