Reform des Bilanzrechts

Nach zweijähriger Beratung ist mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) die größte Reform des Bilanzrechts seit mehr als 20 Jahren umgesetzt worden.

Im Ver­lauf der rund zwei­jäh­ri­gen Bera­tun­gen hat die gro­ße Reform des Bilanz­rechts eini­ge Ände­run­gen durch­lebt. Vor allem die aktu­el­le Finanz­kri­se hat im end­gül­ti­gen Gesetz ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Von eini­gen Reform­vor­ha­ben ist des­halb nicht mehr viel übrig geblie­ben. Trotz­dem han­delt es sich um die größ­te Reform des deut­schen Bilanz­rechts seit mehr als zwan­zig Jah­ren.

Das Bilanz­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes (Bil­MoG) war mit zwei Zie­len ange­gan­gen wor­den: Durch die Redu­zie­rung von Bilan­zie­rungs- und Offen­le­gungs­pflich­ten soll­ten vor allem klei­ne Unter­neh­men ent­las­tet wer­den. Ande­rer­seits soll­ten auch die Bilan­zie­rungs­vor­schrif­ten des Han­dels­ge­setz­bu­ches (HGB) ent­rüm­pelt und an inter­na­tio­na­le Rech­nungs­le­gungs­stan­dards ange­gli­chen wer­den, sodass die Bilan­zen nach HGB aus­sa­ge­kräf­ti­ger wer­den. Dies sind die wich­tigs­ten Ände­run­gen durch das Bil­MoG:

  • Buch­füh­rungs­pflicht: Ein­zel­kauf­leu­te, die 500.000 Euro Umsatz und 50.000 Euro Gewinn in zwei auf­ein­an­der fol­gen­den Geschäfts­jah­ren nicht über­schrei­ten, wer­den von der Ver­pflich­tung zur Buch­füh­rung und Bilan­zie­rung befreit und kön­nen die Ein­nah­men-Über­schuss-Rech­nung zukünf­tig auch für das Han­dels­recht ver­wen­den. Damit erfolgt eine Anglei­chung an die steu­er­li­che Buch­füh­rungs­pflicht­gren­ze. Für Exis­tenz­grün­der gilt die Erleich­te­rung schon, wenn die Gren­zen am ers­ten Abschluss­stich­tag nach der Grün­dung nicht über­schrit­ten wer­den.

  • Grö­ßen­klas­sen: Die Schwel­len­wer­te für Bilanz­sum­me und Jah­res­um­satz wer­den um rund 20 % ange­ho­ben. Dies betrifft die Grö­ßen­klas­sen, die dar­über ent­schei­den, wel­che Infor­ma­ti­ons­pflich­ten ein Unter­neh­men erfül­len muss. Eine Kapi­tal­ge­sell­schaft gilt zukünf­tig bis zu einer Bilanz­sum­me von 4,84 Mio. Euro und einem Jah­res­um­satz von 9,68 Mio. Euro als klei­ne Kapi­tal­ge­sell­schaft mit den damit ver­bun­de­nen Erleich­te­run­gen.

  • Imma­te­ri­el­le Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de: Für selbst­ge­schaf­fe­ne imma­te­ri­el­le Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des Anla­ge­ver­mö­gens besteht künf­tig ein Akti­vie­rungs­wahl­recht in der HGB-Bilanz. So kann bei­spiels­wei­se ein Unter­neh­men, das sich mit der Ent­wick­lung von Soft­ware befasst, die Kos­ten für die Ent­wick­lung der Soft­ware als Her­stel­lungs­kos­ten inner­halb der selbst­er­stell­ten imma­te­ri­el­len Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des Anla­ge­ver­mö­gens aus­wei­sen und muss die­se nicht, wie bis­her, auf­wands­wirk­sam erfas­sen. Steu­er­lich blei­ben die Auf­wen­dun­gen aber nach wie vor abzugs­fä­hig. Akti­vie­rungs­fä­hig sind aller­dings nur Ent­wick­lungs­kos­ten, kei­ne For­schungs­kos­ten, und nur für sol­che Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de, deren Ent­wick­lungs­be­ginn in einem Geschäfts­jahr liegt, das nach dem 31. Dezem­ber 2009 beginnt. Außer­dem sind selbst geschaf­fe­ne Mar­ken, Kun­den­lis­ten, Ver­lags­rech­te und ähn­li­che Rech­te von der Akti­vie­rung aus­ge­schlos­sen, weil sie zum selbst geschaf­fe­nen Geschäfts- und Fir­men­wert zäh­len.

  • Umge­kehr­te Maß­geb­lich­keit: Bis­her galt der Grund­satz, dass steu­er­li­che Wahl­rech­te auch in der Han­dels­bi­lanz ent­spre­chend aus­ge­übt wer­den — die soge­nann­te umge­kehr­te Maß­geb­lich­keit. Die­ser Grund­satz wird nun auf­ge­ge­ben, womit der han­dels­recht­li­che Abschluss an Infor­ma­ti­ons­kraft gewinnt. Soweit für die Steu­er­bi­lanz also ande­re, steu­er­lich zuläs­si­ge Wert­an­sät­ze gewählt wer­den, kön­nen die­se nun nicht mehr in die Han­dels­bi­lanz über­nom­men wer­den. Die Maß­geb­lich­keit der Han­dels­bi­lanz für die Steu­er­bi­lanz bleibt jedoch bestehen.

  • Zurech­nung: Ein Ver­mö­gens­ge­gen­stand ist in der Bilanz des Eigen­tü­mers aus­zu­wei­sen, es sei denn, er ist einem ande­ren wirt­schaft­lich zuzu­rech­nen. In die­sem Fall muss der wirt­schaft­li­che Eigen­tü­mer den Ver­mö­gens­ge­gen­stand aus­wei­sen. Der dop­pel­te Aus­weis sowohl beim recht­li­chen als auch beim wirt­schaft­li­chen Eigen­tü­mer ist aus­ge­schlos­sen.

  • Geschäfts- und Fir­men­wer­te: Das Akti­vie­rungs­wahl­recht für einen Geschäfts- oder Fir­men­wert ent­fällt. Er ist zukünf­tig zwin­gend als zeit­lich begrenzt nutz­ba­rer Ver­mö­gens­ge­gen­stand zu akti­vie­ren.

  • Auf­wands­rück­stel­lun­gen: Nicht mehr zeit­ge­mä­ße Bilan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten, wer­den auf­ge­ho­ben. Dies gilt bei­spiels­wei­se für die auch steu­er­lich nicht aner­kann­te Mög­lich­keit, Rück­stel­lun­gen für unter­las­se­nen Instand­set­zungs­auf­wand zu bil­den.

  • Rück­stel­lungs­be­wer­tung: Rück­stel­lun­gen von Unter­neh­men für künf­ti­ge Ver­pflich­tun­gen wer­den rea­lis­ti­scher bewer­tet. Bei der Bewer­tung der Rück­stel­lun­gen sol­len des­halb künf­ti­ge Ent­wick­lun­gen (Lohn-, Preis- und Per­so­nal­ent­wick­lun­gen) berück­sich­tigt wer­den. Zudem sind Rück­stel­lun­gen mit einer Rest­lauf­zeit von mehr als einem Jahr künf­tig abzu­zin­sen. Pen­si­ons­rück­stel­lun­gen und ver­gleich­bar lang­fris­ti­ge Ver­pflich­tun­gen dür­fen aus Ver­ein­fa­chungs­grün­den mit einer Rest­lauf­zeit von 15 Jah­ren abge­zinst wer­den. Die steu­er­li­che Bewer­tung bleibt unver­än­dert: Wäh­rend im Han­dels­recht der Erfül­lungs­be­trag zählt, sind für die Steu­er­bi­lanz die Ver­hält­nis­se am Bilanz­stich­tag maß­ge­bend.

  • Bewer­tung von Finanz­in­stru­men­ten: Finanz­in­stru­men­te, die zu Han­dels­zwe­cken erwor­ben sind, soll­ten ursprüng­lich bei allen Unter­neh­men zum Bilanz­stich­tag mit dem Zeit­wert bewer­tet wer­den. Als Fol­ge der Finanz­kri­se wur­de die­se Vor­schrift aber für die All­ge­mein­heit wie­der gestri­chen und auf Kre­dit­in­sti­tu­te beschränkt.

  • Laten­te Steu­ern: Auf Druck des Bun­des­rats ist die gene­rel­le Bilan­zie­rungs­pflicht für laten­te Steu­ern, die sich aus einem unter­schied­li­chen Bewer­tungs­an­satz und dem dar­aus fol­gen­den Betriebs­er­geb­nis in Han­dels- und Steu­er­bi­lanz erge­ben, wie­der gestri­chen wor­den. Für akti­ve laten­te Steu­ern bleibt es bei einem Akti­vie­rungs­wahl­recht. Pas­si­ve laten­te Steu­ern unter­lie­gen jedoch einer Pas­si­vie­rungs­pflicht. Von die­ser Ände­rung sind aller­dings nur grö­ße­re Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten betrof­fen, klei­ne Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten sind von der Ver­pflich­tung zur Steu­er­ab­gren­zung befreit.

  • Her­stel­lungs­kos­ten: Bei der Ermitt­lung der Her­stel­lungs­kos­ten selbst erstell­ter Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de sind zukünf­tig zwin­gend auch die ange­mes­se­nen Tei­le der Gemein­kos­ten (Mate­ri­al, Fer­ti­gung, Wert­ver­zehr des Anla­ge­ver­mö­gens etc.) mit ein­zu­be­zie­hen. Damit kommt es zu einer Anglei­chung zwi­schen Han­dels- und Steu­er­recht.

  • Fremd­wäh­rungs­ge­schäf­te: Bis­her mach­te das Bilanz­recht kei­ne Vor­ga­ben zur Wäh­rungs­um­rech­nung. Die gewähl­te Metho­de muss­te ledig­lich im Anhang erläu­tert wer­den. Jetzt gilt der Devi­sen­kas­sa­mit­tel­kurs als ver­bind­li­che Grund­la­ge für die Umrech­nung von Fremd­wäh­rungs­ge­schäf­ten.

  • Bewer­tungs­ein­hei­ten: Es wird erst­mals eine gesetz­li­che Grund­la­ge geschaf­fen für die Bil­dung von Bewer­tungs­ein­hei­ten, in denen die Risi­ken eines Grund­ge­schäfts durch ein Siche­rungs­ge­schäft mit gegen­läu­fi­ger Wert­ent­wick­lung kom­pen­siert wer­den.

  • Bewer­tungs­wahl­rech­te: Im Inter­es­se einer bes­se­ren Aus­sa­ge­kraft des HGB-Abschlus­ses und Ver­gleich­bar­keit zwi­schen Per­so­nen- und Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten wur­den eini­ge Bewer­tungs­wahl­rech­te gestri­chen. Das betrifft bei­spiels­wei­se Abschrei­bun­gen nach ver­nünf­ti­gem kauf­män­ni­schem Ermes­sen und außer­plan­mä­ßi­ge Abschrei­bun­gen bei vor­aus­sicht­lich nicht dau­ern­der Wert­min­de­rung von Ver­mö­gens­ge­gen­stän­den des Anla­ge­ver­mö­gens. Außer­dem wird das Wert­auf­ho­lungs­wahl­recht durch ein rechts­form­un­ab­hän­gi­ges Wert­auf­ho­lungs­ge­bot ersetzt, von dem ledig­lich ein ent­gelt­lich erwor­be­ner Geschäfts- oder Fir­men­wert aus­ge­nom­men ist.

  • Ste­tig­keits­grund­satz: Mit der Reform wird der Ste­tig­keits­grund­satz stren­ger gefasst. Dass bei einem Bewer­tungs­wahl­recht die­sel­ben Bewer­tungs­an­sät­ze auch in fol­gen­den Abschlüs­sen gewählt wer­den, wur­de bis­her nicht zwin­gend ver­langt. Zukünf­tig kann eine Bewer­tungs­me­tho­de für den neu­en Abschluss nur noch in begrün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len geän­dert wer­den. Ergänzt wird die­se Bewer­tungs­ste­tig­keit um eine Ansatz­ste­tig­keit: Auch die gewähl­ten Ansatz­me­tho­den sind, von begrün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len abge­se­hen, bei­zu­be­hal­ten. Das betrifft bei­spiels­wei­se die Ent­schei­dung zur Akti­vie­rung selbst geschaf­fe­ner imma­te­ri­el­ler Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de.

  • Glie­de­rungs­sche­ma­ta: Bedingt durch die vie­len Ände­run­gen wird auch das Bilanz­glie­de­rungs­sche­ma um eini­ge Punk­te ergänzt (selbst geschaf­fe­ne imma­te­ri­el­le Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de, laten­te Steu­ern). Im Glie­de­rungs­sche­ma der Gewinn- und Ver­lust­rech­nung erfolgt nur eine redak­tio­nel­le Anpas­sung.

  • Anhang und Lage­be­richt: Die Erläu­te­rungs­pflich­ten im Anhang und im Lage­be­richt wer­den durch das Bil­MoG erheb­lich erwei­tert, wobei klei­ne und teil­wei­se auch mit­tel­gro­ße Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten von einer gan­zen Rei­he die­ser Pflich­ten befreit sind.

  • Kon­zern­ab­schluss: Eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Ände­run­gen betrifft den Kon­zern­ab­schluss und den Kon­zern­la­ge­be­richt, vie­le davon sind jedoch nur für grö­ße­re Gesell­schaf­ten rele­vant. In jedem Fall müs­sen Unter­neh­men künf­tig schon dann in den Kon­zern­ab­schluss ein­be­zo­gen wer­den, wenn das Mut­ter­un­ter­neh­men auf sie einen beherr­schen­den Ein­fluss aus­üben kann.

Die Ände­run­gen des Bil­MoG tre­ten in zwei Pha­sen in Kraft: Wäh­rend die Bilan­zie­rungs­er­leich­te­run­gen (Buch­füh­rungs­pflicht­gren­ze und Anhe­bung der Schwel­len­wer­te für die Grö­ßen­klas­sen) bereits rück­wir­kend für alle nach dem 31. Dezem­ber 2007 begin­nen­den Geschäfts­jah­re gel­ten, sol­len die übri­gen Ände­run­gen erst für Geschäfts­jah­re Anwen­dung fin­den, die nach dem 31. Dezem­ber 2009 begin­nen. Ein Unter­neh­men kann sich auch ent­schei­den, die­se Ände­run­gen bereits für Geschäfts­jah­re nach dem 31. Dezem­ber 2008 anzu­wen­den, aller­dings nur ins­ge­samt. Außer­dem muss die­se Ent­schei­dung im Anhang ver­merkt sein.