Neuer Kurs nach dem Regierungswechsel

Die neue Koalition aus CDU, CSU und FDP plant umfangreiche Änderungen im Steuerrecht.

Nicht ohne Grund waren die mög­li­chen Ände­run­gen im Steu­er­recht der größ­te Zank­ap­fel der neu­en Regie­rungs­ko­ali­tio­nä­re: Dass in den nächs­ten Jah­ren auch ohne Steu­er­erleich­te­run­gen weni­ger Geld als erwar­tet in die öffent­li­chen Kas­sen flie­ßen wird, dazu bedarf es kei­ner Hell­se­he­rei. Trotz­dem haben sich die Koali­ti­ons­part­ner nach lan­gen Ver­hand­lun­gen auf ein umfang­rei­ches Paket an Ände­run­gen ver­stän­digt, das größ­ten­teils das Wohl­wol­len der Steu­er­zah­ler fin­den wird.

Wir stel­len Ihnen im Fol­gen­den die Ände­run­gen vor, die im Koali­ti­ons­ver­trag ent­hal­ten sind. Aller­dings hat die Koali­ti­on schnell gear­bei­tet und einen nicht unwe­sent­li­chen Teil schon in Geset­zes­form gegos­sen. Die­ses Wachs­tums­be­schleu­ni­gungs­ge­setz muss zwar erst noch das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren durch­lau­fen. Das soll aber in den nächs­ten Wochen gesche­hen, sodass das Gesetz noch vor dem Jah­res­wech­sel in Kraft tre­ten kann.

Daher haben wir die Lis­te der Ände­run­gen auf­ge­teilt: Hier lesen Sie zunächst über die Vor­ha­ben, die wei­te­ren Geset­zes­vor­ha­ben vor­be­hal­ten sind und mit einer gewis­sen Wahr­schein­lich­keit in den nächs­ten Mona­ten und Jah­ren noch umge­setzt wer­den. Im Bei­trag über das Wachs­tums­be­schleu­ni­gungs­ge­setz befas­sen wir uns dann im Detail mit den Ände­run­gen, die im aktu­el­len Geset­zes­ent­wurf ent­hal­ten sind und somit vor­be­halt­lich mög­li­cher Ände­run­gen im par­la­men­ta­ri­schen Ver­fah­ren schon in Kür­ze gel­ten wer­den.

  • Ent­las­tungs­ziel: Im Lauf der Legis­la­tur­pe­ri­ode soll eine steu­er­li­che Ent­las­tung ins­be­son­de­re für die unte­ren und mitt­le­ren Ein­kom­men sowie für die Fami­li­en mit Kin­dern in einem Gesamt­vo­lu­men von 24 Mil­li­ar­den Euro jähr­lich umge­setzt wer­den.

  • Ein­kom­men­steu­er­ta­rif: An den bereits beschlos­se­nen Ent­las­tun­gen in der Lohn- und Ein­kom­men­steu­er soll sich nichts ändern. Hier erfolgt durch die erwei­ter­te Absetz­bar­keit der Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und die beschlos­se­nen Tarif­än­de­run­gen eine Steu­er­ent­las­tung in Höhe von rund 14 Mil­li­ar­den Euro jähr­lich ab dem 1. Janu­ar 2010. Mög­lichst schon ab 2011 soll dann ein neu­er Stu­fen­ta­rif ein­ge­führt wer­den, wobei Zahl und Ver­lauf der Stu­fen noch nicht fest­ste­hen.

  • Steu­er­be­ra­tungs­kos­ten: Der durch die Gro­ße Koali­ti­on abge­schaff­te Abzug pri­va­ter Steu­er­be­ra­tungs­kos­ten soll wie­der ein­ge­führt wer­den.

  • Geld­wer­ter Vor­teil: Die Besteue­rung von Jah­res­wa­gen­ra­bat­ten für Mit­ar­bei­ter soll auf ein rea­li­täts­ge­rech­tes Maß beschränkt wer­den. Im Prin­zip ist dies schon durch ein vor kur­zem ergan­ge­nes Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs gege­ben. In die­sem Zusam­men­hang will die Koali­ti­on aber auch die Ange­mes­sen­heit der Besteue­rung des geld­wer­ten Vor­teils aus der Pri­vat­nut­zung betrieb­li­cher Fahr­zeug über­prü­fen.

  • Aus­bil­dungs­kos­ten: Die Abzugs­fä­hig­keit von Aus­bil­dungs­kos­ten soll neu geord­net wer­den.

  • Fami­li­en: Es soll ein schlüs­si­ges und ver­ständ­li­ches Kon­zept der steu­er­li­chen Berück­sich­ti­gung von Auf­wen­dun­gen für Fami­li­en und Kin­der und im Haus­halt erar­bei­tet wer­den. Ab 2013 soll es dann neben einer Kin­der­gar­ten­platz­ga­ran­tie auch ein Betreu­ungs­geld von 150 Euro für die Eltern geben, die ihre Kin­der im Alter bis zu drei Jah­ren selbst betreu­en wol­len.

  • Ren­ten­be­steue­rung: Die Besteue­rung der Rent­ner wird so ver­ein­facht, dass kein Kon­troll­mit­tei­lungs­ver­fah­ren und kei­ne sepa­ra­te Erklä­rungs­pflicht für Ren­ten­be­zü­ge mehr not­wen­dig ist.

  • Gleich­stel­lung: Gleich­heits­wid­ri­ge Benach­tei­li­gun­gen im Steu­er­recht will die Koali­ti­on abbau­en und ins­be­son­de­re die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Gleich­stel­lung von Lebens­part­nern mit Ehe­gat­ten umset­zen.

  • Pfle­ge­heim­kos­ten: Anstel­le des heu­ti­gen Ein­zel­nach­wei­ses will man den Abzug der Kos­ten für ein Pfle­ge­heim durch Pau­scha­lie­rung ver­ein­fa­chen.

  • Alters­vor­sor­ge: Die steu­er­li­che För­de­rung der pri­va­ten Alters­vor­sor­ge soll ent­bü­ro­kra­ti­siert und ver­ein­facht wer­den. Was das genau heißt, geht aus dem Koali­ti­ons­ver­trag nicht her­vor.

  • Außer­ge­wöhn­li­che Belas­tun­gen: Der Abzug von außer­ge­wöhn­li­chen Belas­tun­gen soll durch stär­ke­re Typi­sie­rung und Pau­scha­lie­rung ver­ein­facht wer­den.

  • Steu­er­erklä­rung: Die Steu­er­erklä­rungs­vor­dru­cke und Erläu­te­run­gen sol­len ver­ständ­li­cher und anwen­dungs­freund­li­cher wer­den. Auf Wunsch soll jeder eine vor­aus­ge­füll­te Steu­er­erklä­rung mit den beim Finanz­amt vor­han­de­nen Daten erhal­ten, sodass der eige­ne Auf­wand gerin­ger aus­fällt. Außer­dem sol­len alle Steu­er­pflich­ti­gen die Mög­lich­keit erhal­ten, ohne Papier­be­le­ge mit den Finanz­äm­tern zu kom­mu­ni­zie­ren. Schließ­lich soll geprüft wer­den, ob Arbeit­neh­mer die Steu­er­erklä­rung auch für zwei Jah­re auf ein­mal abge­ge­ben kön­nen.

  • Betriebs­prü­fun­gen: Zur Erhö­hung der Pla­nungs­si­cher­heit soll der Gedan­ke der zeit­na­hen Betriebs­prü­fung ver­wirk­licht wer­den. Betriebs­prü­fun­gen müs­sen grund­sätz­lich inner­halb von fünf Jah­ren nach Beginn bzw. dann abge­schlos­sen sein, wenn die neue Betriebs­prü­fung beginnt.

  • Ist-Besteue­rung: Die Koali­ti­on will im Ver­lauf der Legis­la­tur­pe­ri­ode unter Ein­be­zie­hung der euro­päi­schen Vor­ga­ben prü­fen, ob und in wel­chem Umfang das Prin­zip der Ist-Besteue­rung bei der Umsatz­steu­er aus­ge­wei­tet wer­den kann.

  • Ermä­ßig­te Umsatz­steu­er: Eine Kom­mis­si­on soll sich mit der Sys­tem­um­stel­lung bei der Umsatz­steu­er und dem Kata­log der ermä­ßig­ten Mehr­wert­steu­er­sät­ze befas­sen und Vor­schlä­ge zur Ver­ein­fa­chung erar­bei­ten.

  • Daseins­vor­sor­ge: Zwi­schen kom­mu­na­len und pri­va­ten Anbie­tern soll Wett­be­werbs­gleich­heit bei der Umsatz­steu­er geschaf­fen wer­den. Ob dies nun eine Umsatz­steu­er­pflicht für kom­mu­na­le Anbie­ter oder eine Umsatz­steu­er­frei­heit für pri­va­te Anbie­ter bedeu­tet, ist noch unklar.

  • Post­dienst­leis­tun­gen: Schon in der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode war eine Ände­rung bei der Umsatz­steu­er­frei­heit von Post­dienst­leis­tun­gen geplant, konn­ten aber nicht mehr umge­setzt wer­den. Nun soll die Umsatz­be­steue­rung von Post­dienst­leis­tun­gen mit Blick auf die Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs so ange­passt wer­den, dass kei­ne steu­er­li­che Ungleich­be­hand­lung mehr besteht. Nach die­sem Urteil bleibt die Grund­ver­sor­gung der Bür­ger mit Post­dienst­leis­tun­gen umsatz­steu­er­frei.

  • Erb­schaft­steu­er: In Gesprä­chen mit den Bun­des­län­dern will die Bun­des­re­gie­rung prü­fen, ob die Erb­schaft­steu­er hin­sicht­lich Steu­er­sät­zen und Frei­be­trä­gen regio­na­li­siert wer­den kann.

  • Gewer­be­steu­er: Eine Kom­mis­si­on soll den Ersatz der Gewer­be­steu­er durch einen höhe­ren Anteil an der Umsatz­steu­er und einen kom­mu­na­len Zuschlag auf die Ein­kom­men- und Kör­per­schaft­steu­er mit eige­nem Hebe­satz prü­fen.

  • Ver­bind­li­che Aus­künf­te: Die Gebüh­ren­pflicht soll auf wesent­li­che und auf­wän­di­ge Fäl­le beschränkt wer­den.

  • Unter­neh­mens­be­steue­rung: Neben den bereits auf­ge­zähl­ten kon­kre­ten Maß­nah­men ent­hält der Koali­ti­ons­ver­trag auch noch eine Rei­he eher all­ge­mein gehal­te­ner Zie­le bei der Unter­neh­mens­be­steue­rung. So will man sich bei­spiels­wei­se mit dem Pro­blem der zwei­fa­chen Besteue­rung von Unter­neh­mens­er­trä­gen auf der Ebe­ne der Unter­neh­men und Anteils­eig­ner einer­seits und der nur ein­fa­chen Besteue­rung der Erträ­ge aus risi­ko­ar­men Zins­pro­duk­ten ande­rer­seits aus­ein­an­der­set­zen. Auch soll die elek­tro­ni­sche Rech­nungs­stel­lung auf mög­lichst unbü­ro­kra­ti­sche Wei­se mög­lich sein. Was das alles aber kon­kret bedeu­tet, wird man abwar­ten müs­sen.

  • Steu­er­sys­te­ma­tik: An den begon­ne­nen Maß­nah­men im Kampf gegen die Steu­er­hin­ter­zie­hung will die neue Koali­ti­on fest­hal­ten. Es sol­len aber Sinn und Not­wen­dig­keit des Kon­ten­ab­ruf­ver­fah­rens über­prüft wer­den. Rück­wir­ken­de gesetz­ge­be­ri­sche Maß­nah­men, wel­che die Bür­ger belas­ten, will die Koali­ti­on grund­sätz­lich ver­mei­den. Schrei­ben des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums sol­len sich auf die Aus­le­gung der Geset­ze beschrän­ken, also auf die Pra­xis der Nicht­an­wen­dungs­er­las­se ver­zich­ten.

  • Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge: Ins­ge­samt sol­len die pari­tä­tisch von Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer finan­zier­ten Lohn­ne­ben­kos­ten unter 40 % blei­ben. Durch eine Über­gangs­fi­nan­zie­rung des Bun­des für die Bun­des­agen­tur für Arbeit und die Kran­ken­kas­sen sol­len die Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge auch in der Kon­junk­tur­flau­te sta­bil blei­ben. Mehr­be­las­tun­gen dro­hen aber Arbeit­neh­mern, denn der Arbeit­ge­ber­an­teil an der Kran­ken­ver­si­che­rung wird ein­ge­fro­ren, und bei der Pfle­ge­ver­si­che­rung soll eine zusätz­li­che pri­va­te Vor­sor­ge vor­ge­schrie­ben wer­den.

Wie Sie sehen, ist die Lis­te der geplan­ten steu­er­li­chen Maß­nah­men lang und wird noch um die Maß­nah­men des Wachs­tums­be­schleu­ni­gungs­ge­set­zes ergänzt. Doch nichts wird so heiß geges­sen, wie es gekocht wird, sagt man, und des­halb soll­ten Sie sich bei kei­ner der hier auf­ge­zähl­ten Ände­run­gen auf deren Rea­li­sie­rung ver­las­sen, solan­ge noch kein kon­kre­tes Geset­zes­vor­ha­ben vor­liegt.