Steuerliche Behandlung von Erstattungszinsen

Ob Erstattungszinsen wirklich steuerpflichtig sind, ist nach wie vor unklar, sodass ein Einspruch in jedem Fall lohnen kann.

Sind Erstat­tungs­zin­sen nun steu­er­pflich­tig oder nicht? Der Streit über die­se Fra­ge hat­te vor zwei Jah­ren neue Nah­rung bekom­men, als der Bun­des­fi­nanz­hof sei­ne Recht­spre­chung geän­dert und fest­ge­stellt hat, dass Erstat­tungs­zin­sen zumin­dest bei eini­gen Steu­ern nicht steu­er­pflich­tig sind. Seit­her gibt es ein reges Hin und Her zwi­schen Steu­er­zah­lern, Finanz­ver­wal­tung, Gesetz­ge­ber und Finanz­ge­rich­ten um die Fra­ge der Steu­er­pflicht von Erstat­tungs­zin­sen. Mit dem fol­gen­den Über­blick über die Chro­no­lo­gie der Ereig­nis­se kön­nen Sie selbst ein­schät­zen, wann ein Ein­spruch oder ein Antrag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung beim Finanz­amt erfolg­ver­spre­chend sind.

In dem Urteil, das den Stein erst ins Rol­len gebracht hat, hält der Bun­des­fi­nanz­hof zwar an sei­ner Recht­spre­chung fest, dass der Steu­er­erstat­tungs­an­spruch eine “sons­ti­ge Kapi­tal­for­de­rung jeder Art” im Sin­ne des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes ist. Auch teilt er die Ansicht der Finanz­ver­wal­tung, dass die Erstat­tungs­zin­sen auch als Gegen­leis­tung dafür gezahlt wer­den, dass der Steu­er­pflich­ti­ge dem Fis­kus Kapi­tal zur Nut­zung über­las­sen hat, zu des­sen Leis­tung er letzt­lich nicht ver­pflich­tet war. Damit kön­nen Erstat­tungs­zin­sen beim Emp­fän­ger grund­sätz­lich der Besteue­rung unter­lie­gen.

Aller­dings gilt das nicht, wenn die Ein­kom­men­steu­er oder sons­ti­ge Steu­er und die dar­auf ent­fal­len­de Nach­zah­lungs­zin­sen vom Abzug als Betriebs­aus­ga­ben oder Wer­bungs­kos­ten aus­ge­schlos­sen und damit dem nicht­steu­er­ba­ren Bereich zuge­wie­sen sind. Die­se gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung führt näm­lich beim umge­kehr­ten Vor­gang der Erstat­tung sol­cher Steu­ern dazu, dass sie dem Steu­er­zah­ler nicht im Rah­men einer der Ein­kunfts­ar­ten zuflie­ßen. Erstat­tungs­zin­sen tei­len als steu­er­li­che Neben­leis­tung das Schick­sal der Haupt­for­de­rung mit der Fol­ge, dass sie eben­falls dem nicht steu­er­ba­ren Bereich zuge­wie­sen wer­den — und hier ist die ent­schei­den­de Ände­rung in der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs.

Die Finanz­ver­wal­tung hat auf die­ses Urteil prompt reagiert, indem sie eine Geset­zes­än­de­rung in das Jah­res­steu­er­ge­setz 2010 auf­neh­men ließ. Nach die­ser als “Klar­stel­lung” bezeich­ne­ten Ände­rung sol­len Erstat­tungs­zin­sen nun Kapi­tal­erträ­ge im Sin­ne des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes sein. Die Geset­zes­än­de­rung bewirkt qua­si, dass das Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs über den ent­schie­de­nen Ein­zel­fall hin­aus nicht ange­wen­det wer­den kann. Gegen die Ände­rung las­sen sich aber zwei schwer wie­gen­de Argu­men­te ins Feld füh­ren:

  • Die Ände­rung gilt rück­wir­kend, ist also nicht nur für zukünf­ti­ge Kalen­der­jah­re, son­dern auch für vor­an­ge­gan­ge­ne Kalen­der­jah­re zu beach­ten. Soweit davon Erstat­tungs­zin­sen erfasst wer­den, die bereits vor 2010 aus­ge­zahlt wur­den, übt die Geset­zes­än­de­rung eine ech­te Rück­wir­kung aus, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt nur in sehr engen Aus­nah­me­fäl­len über­haupt als ver­fas­sungs­ge­mäß ansieht. Auch wenn die Zin­sen zum Zeit­punkt der Geset­zes­än­de­rung noch nicht aus­ge­zahlt waren, aber Vor­jah­re betref­fen, könn­te man von einer ech­ten Rück­wir­kung spre­chen. Ent­schei­dend dafür ist die bis­her noch nicht geklär­te Fra­ge, ob der Anspruch auf Erstat­tungs­zin­sen jeweils zum Ende jedes Jah­res ent­steht oder erst mit der Ver­kün­dung des Steu­er­be­scheids.

  • Das zwei­te Argu­ment gegen die Geset­zes­än­de­rung ist etwas sub­ti­ler. Dafür ist näm­lich der Unter­schied zwi­schen “steu­er­bar” und “steu­er­pflich­tig” rele­vant. Das Steu­er­recht gilt nur für steu­er­ba­re Vor­gän­ge, wäh­rend nicht steu­er­ba­re Vor­gän­ge zum steu­er­lich uner­heb­li­chen Pri­vat­be­reich des Steu­er­zah­lers gehö­ren. Bei den steu­er­ba­ren Vor­gän­gen wird dann zwi­schen steu­er­frei­en und steu­er­pflich­ti­gen Vor­gän­gen unter­schie­den. Nun kann man gegen die Geset­zes­än­de­rung argu­men­tie­ren, dass sie ledig­lich die Erstat­tungs­zin­sen expli­zit zum steu­er­pflich­ti­gen Ein­kom­men erklärt. Dazu müss­ten die Zin­sen aber steu­er­bar sein; sind sie nicht steu­er­bar, wären sie dem Zugriff des Steu­er­rechts ent­zo­gen, selbst wenn das Steu­er­recht von einer Steu­er­pflicht aus­geht. Der Bun­des­fi­nanz­hof hat­te in sei­nem Urteil jedoch fest­ge­stellt, dass die Zin­sen das Schick­sal der Haupt­schuld, also der Steu­ern, tei­len, und zumin­dest für die Ein­kom­men­steu­er gilt, dass die Zah­lung oder Erstat­tung der Steu­er ein nicht steu­er­ba­rer Vor­gang ist.

An die­ser Stel­le lau­tet das Fazit also, dass die Finanz­ver­wal­tung wegen der von ihr ver­an­lass­ten Geset­zes­än­de­rung davon aus­geht, dass die Erstat­tungs­zin­sen grund­sätz­lich steu­er­pflich­tig sind. Die Geset­zes­än­de­rung selbst ist aber alles ande­re als unum­strit­ten. Zwar hat das Finanz­ge­richt Müns­ter ent­schie­den, dass die rück­wir­kend ange­ord­ne­te Besteue­rung von Zin­sen ver­fas­sungs­ge­mäß ist, jedoch hat der Klä­ger dage­gen Revi­si­on beim Bun­des­fi­nanz­hof ein­ge­legt. Ande­re Finanz­ge­rich­te dage­gen hat­ten bereits ernst­li­che Beden­ken gegen die Rück­wir­kung der Geset­zes­än­de­rung.

Auch der Bun­des­fi­nanz­hof selbst teilt die­se Beden­ken und hat dies in einem Ver­fah­ren über die Aus­set­zung der Voll­zie­hung bereits kund­ge­tan. Aller­dings wird in einem sol­chen Ver­fah­ren die Rechts­la­ge nicht abschlie­ßend geprüft, son­dern nur ent­schie­den, ob es über­haupt gute Grün­de für eine ande­re Sicht­wei­se gibt. Außer­dem hat sich der Bun­des­fi­nanz­hof bis jetzt allein zum Argu­ment der Rück­wir­kung geäu­ßert und über die Steu­er­bar­keit von Erstat­tungs­zin­sen noch gar kei­ne Aus­sa­ge getrof­fen.

Ledig­lich in einem Punkt hat sich der Bun­des­fi­nanz­hof bereits klar und abschlie­ßend geäu­ßert: Bei der Kör­per­schaft­steu­er sind die Erstat­tungs­zin­sen in jedem Fall steu­er­pflich­tig. Zwar sind Zah­lun­gen und Erstat­tun­gen hier eben­so ohne Belang für die Steu­er­fest­set­zung, aber Kör­per­schaf­ten ver­fü­gen nach Mei­nung der Rich­ter über kei­ne nicht­be­trieb­li­che Sphä­re, der die Erstat­tungs­zin­sen zuge­wie­sen wer­den könn­ten.

Momen­tan gewäh­ren die Finanz­äm­ter auf Anwei­sung der Ober­fi­nanz­di­rek­tio­nen bei der Ein­kom­men­steu­er grund­sätz­lich Aus­set­zung der Voll­zie­hung, soweit sich der Ein­wand auf älte­re Fäl­le bezieht, bei denen das Argu­ment der Rück­wir­kung eine Rol­le spielt. Die Erstat­tungs­zin­sen müs­sen also vor dem 13. Dezem­ber 2010 zuge­flos­sen oder zumin­dest ent­stan­den sein. Auch Ein­sprü­che ruhen auf­grund der beim Bun­des­fi­nanz­hof noch anhän­gi­gen Ver­fah­ren. Mitt­ler­wei­le gilt das auch für Ein­sprü­che zu neue­ren Steu­er­be­schei­den, die sich ledig­lich auf das Argu­ment der Steu­er­bar­keit von Erstat­tungs­zin­sen stüt­zen kön­nen. Weil die Erfolgs­aus­sich­ten zumin­dest beim Rück­wir­kungs­ar­gu­ment gut ste­hen, kann sich ein Ein­spruch also auf jeden Fall loh­nen.