Erbschaftsteuergesetz auf dem Prüfstand

Der Bundesfinanzhof hält das aktuelle Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig, weil die darin enthaltenen Vergünstigungen für Betriebsvermögen nicht gerechtfertigt seien.

Die Kla­ge eines Nef­fen über den Steu­er­satz für die Steu­er­klas­se II hat der Bun­des­fi­nanz­hof genutzt, um sei­ne grund­sätz­li­chen Beden­ken gegen die seit bald vier Jah­ren gel­ten­de Erb­schaft­steu­er­re­form vor­zu­brin­gen. Ins­be­son­de­re die zahl­rei­chen Begüns­ti­gun­gen für Betriebs­ver­mö­gen sind dem Bun­des­fi­nanz­hof ein Dorn im Auge. In einem 65 Sei­ten star­ken Beschluss hat der Bun­des­fi­nanz­hof daher dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Fra­ge vor­ge­legt, ob hier nicht ein “ver­fas­sungs­wid­ri­ger Begüns­ti­gungs­über­hang” vor­liegt. Gleich meh­re­re Argu­men­te hat der Bun­des­fi­nanz­hof vor­ge­bracht:

  • Betriebs­fort­füh­rung: Die Rich­ter hal­ten nichts von der Prä­mis­se, dass die Erb­schaft­steu­er gene­rell die Be-triebs­fort­füh­rung gefähr­de. Es gehe weit über das ver­fas­sungs­recht­lich Zuläs­si­ge hin­aus, Betriebs­ver­mö­gen ohne Rück­sicht auf den Wert des Erwerbs und die Leis­tungs­fä­hig­keit des Erwer­bers frei­zu­stel­len. Das gel­te ins­be­son­de­re dann, wenn die für die Erb­schaft­steu­er erfor­der­li­chen Mit­tel vor­han­den sind oder beschafft wer­den kön­nen.

  • Arbeits­platz­erhalt: Vor­tei­le für Betriebs­ver­mö­gen mit dem Arbeits­platz­erhalt zu begrün­den, sei eben­falls nicht gerecht­fer­tigt, weil mehr als 90 % aller Betrie­be nicht mehr als 20 Beschäf­tig­te hät­ten und des­halb nicht unter die “Arbeits­platz­klau­sel” fie­len. Außer­dem las­se das Gesetz Gestal­tun­gen zu, die auch bei grö­ße­ren Betrie­ben in vie­len Fäl­len dafür sor­gen, dass es für die Gewäh­rung des Ver­scho­nungs­ab­schlags nicht auf die Ent­wick­lung der Lohn­sum­men und somit auf den Erhalt der Arbeits­plät­ze ankom­me.

  • Ver­wal­tungs­ver­mö­gen: Beson­ders viel Kri­tik übt der Bun­des­fi­nanz­hof am Ver­wal­tungs­ver­mö­gen. Die gesetz­li­chen Rege­lun­gen wür­den es ermög­li­chen, in unbe­grenz­ter Höhe nicht betriebs­not­wen­di­ges Ver­mö­gen, das den Begüns­ti­gungs­zweck nicht erfüllt, ohne oder mit nur gerin­ger Steu­er­be­las­tung zu erwer­ben. Es unter­lie­ge weit­ge­hend der Dis­po­si­ti­ons­frei­heit des Erb­las­sers oder Schen­kers, pri­va­te Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de zu steu­er­be­güns­tig­tem Betriebs­ver­mö­gen zu machen.

  • Cash-GmbHs: Geld­for­de­run­gen wie etwa Sicht­ein­la­gen, Spar­an­la­gen und Fest­geld­kon­ten bei Kre­dit­in­sti­tu­ten gehö­ren nicht zum Ver­wal­tungs­ver­mö­gen. Damit kann ein Anteil an einer GmbH oder GmbH und Co. KG, deren Ver­mö­gen aus­schließ­lich aus sol­chen For­de­run­gen besteht (sog. “Cash-GmbH”), ver­schenkt oder ver­erbt wer­den, ohne dass Erb­schaft­steu­er anfällt. Die­ser Kri­tik­punkt des Bun­des­fi­nanz­hofs hat sich immer­hin bald ohne­hin erle­digt, denn zum Jah­res­wech­sel sol­len die Vor­ga­ben für das Ver­wal­tungs­ver­mö­gen ent­spre­chend geän­dert wer­den.

  • Regel­ver­scho­nung: Die Steu­er­ver­güns­ti­gun­gen für Betriebs­ver­mö­gen füh­ren zusam­men mit zahl­rei­chen ande­ren Ver­scho­nun­gen (Tarif­be­gren­zung, Steu­er­be­frei­ung von Fami­li­en­hei­men etc.) und den Frei­be­trä­gen dazu, dass nur ein gerin­ger Teil der dem Grund­satz nach steu­er­ba­ren Sach­ver­hal­te tat­säch­lich mit Erb­schaft­steu­er belas­tet wird. Des­halb ist nach Ansicht des Bun­des­fi­nanz­hofs die Steu­er­be­frei­ung die Regel und die tat­säch­li­che Besteue­rung die Aus­nah­me.

Die vie­len Argu­men­te trägt der Bun­des­fi­nanz­hof nicht etwa vor, weil er zwin­gend eine höhe­re Besteue­rung von Betriebs­ver­mö­gen für gebo­ten hält. Er hält viel­mehr das gesam­te Erb­schaft­steu­er­ge­setz für pro­ble­ma­tisch, weil es zu einer ver­fas­sungs­wid­ri­gen Fehl­be­steue­rung füh­ren wür­de. Dies ver­let­ze die­je­ni­gen Steu­er­zah­ler, die die Ver­güns­ti­gun­gen nicht bean­spru­chen könn­ten, in ihrem Recht auf eine gleich­mä­ßi­ge, der Leis­tungs­fä­hig­keit ent­spre­chen­de und fol­ge­rich­ti­ge Besteue­rung.

Das eigent­li­che Anlie­gen des Klä­gers, näm­lich dass für die Steu­er­klas­se II (u.a. Geschwis­ter, Nef­fen und Nich­ten) und die Steu­er­klas­se III (frem­de Drit­te) die glei­chen Steu­er­sät­ze gel­ten, hält der Bun­des­fi­nanz­hof dage­gen nicht für ver­fas­sungs­wid­rig. Die Rich­ter mei­nen näm­lich, der Gesetz­ge­ber sei ver­fas­sungs­recht­lich nicht ver­pflich­tet, Erben der Steu­er­klas­se II bes­ser zu stel­len als Erben der Steu­er­klas­se III. Der ver­fas­sungs­mä­ßig garan­tier­te Schutz von Ehe und Fami­lie bezie­he sich nur auf die Gemein­schaft von Eltern und Kin­dern, nicht aber auf Fami­li­en­mit­glie­der im wei­te­ren Sinn.

Wie das wei­te­re Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­geht, ist schwer vor­her­seh­bar. Es ist jeden­falls sehr unwahr­schein­lich, dass das Gericht das kom­plet­te Erb­schaft­steu­er­ge­setz rück­wir­kend für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt. Wer trotz­dem sicher gehen will, kann gegen den Erb­schaft­steu­er­be­scheid Ein­spruch ein­le­gen und das Ruhen des Ver­fah­rens bean­tra­gen. Die Finanz­ver­wal­tung hat die Finanz­äm­ter bereits ange­wie­sen, neue Beschei­de mit einem Vor­läu­fig­keits­ver­merk zu ver­se­hen, womit sich ein Ein­spruch in die­sen Fäl­len erüb­rigt.

Soll­te das Gericht aber die Beden­ken des Bun­des­fi­nanz­hofs tei­len, wird es den Gesetz­ge­ber sicher auf­for­dern, für die Zukunft nach­zu­bes­sern. Bereits gewähr­te Ver­güns­ti­gun­gen wer­den rück­wir­kend auf kei­nen Fall gestri­chen, denn das Gesetz ver­bie­tet die Ände­rung von Steu­er­be­schei­den zum Nach­teil der Steu­er­zah­ler auf­grund einer Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts. Es kann sich aber loh­nen, über eine zeit­na­he Ver­mö­gens­über­tra­gung nach­zu­den­ken, falls das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Abschaf­fung von Ver­güns­ti­gun­gen für die Zukunft ver­langt.