Abziehbarkeit von Prozesskosten

Zivilprozesskosten sind auch vor der gesetzlichen Neuregelung ab 2013 nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastung steuerlich abziehbar.

Nach­dem der Bun­des­fi­nanz­hof 2011 ent­schie­den hat­te, Pro­zess­kos­ten als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung anzu­er­ken­nen, wenn sich der Steu­er­zah­ler nicht mut­wil­lig oder leicht­fer­tig auf den Pro­zess ein­ge­las­sen hat, sah der Fis­kus nicht nur dras­ti­sche Steu­er­aus­fäl­le, son­dern auch enor­men Ver­wal­tungs­auf­wand auf sich zukom­men. Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um hat­te daher zunächst einen Nicht­an­wen­dungs­er­lass zu dem Urteil her­aus­ge­ge­ben und par­al­lel eine Geset­zes­än­de­rung in die Wege gelei­tet.

Nach der Neu­re­ge­lung im Amts­hil­fe­richt­li­nie-Umset­zungs­ge­setz kön­nen seit 2013 Pro­zess­kos­ten nur noch dann als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung gel­tend gemacht wer­den, wenn der Steu­er­zah­ler ohne den Pro­zess Gefahr lie­fe, sei­ne Exis­tenz­grund­la­ge zu ver­lie­ren und sei­ne lebens­not­wen­di­gen Bedürf­nis­se in dem übli­chen Rah­men nicht mehr befrie­di­gen zu kön­nen. Mit der Geset­zes­än­de­rung war aber noch nicht klar, in wel­chem Umfang Pro­zess­kos­ten abzieh­bar sind, die vor 2013 ange­fal­len sind. Zwar gab es den Nicht­an­wen­dungs­er­lass des Minis­te­ri­ums, doch im Gegen­satz zu Geset­zen hat eine Ver­wal­tungs­an­wei­sung kei­ne bin­den­de Wir­kung für die Finanz­ge­rich­te.

Die­se Fra­ge hat der Bun­des­fi­nanz­hof in den letz­ten Mona­ten in meh­re­ren Urtei­len umfas­send — und nicht zur Freu­de der Steu­er­zah­ler — beant­wor­tet. Die Rich­ter haben näm­lich ihre steu­er­zah­ler­freund­li­che Recht­spre­chung wie­der auf­ge­ge­ben und sich in die­ser Fra­ge auf die Sei­te der Finanz­ver­wal­tung geschla­gen. Im Ein­zel­nen hat der Bun­des­fi­nanz­hof fol­gen­de Ent­schei­dun­gen gefällt:

  • Erb­strei­tig­kei­ten: Das ers­te Urteil betraf die Kos­ten eines Pro­zes­ses über die Erb­tei­lung zwi­schen Geschwis­tern. In die­sem Urteil hat der Bun­des­fi­nanz­hof kei­ne fall­spe­zi­fi­schen Aus­füh­run­gen gemacht, son­dern ledig­lich sei­ne Recht­spre­chung wie­der geän­dert und ist zur frü­he­ren Auf­fas­sung zurück­ge­kehrt. Da die Klä­ge­rin nicht dar­ge­legt habe, dass ihre Exis­tenz­grund­la­ge gefähr­det wäre, wenn sie das Erbe nicht ange­tre­ten hät­te oder mit ihrem Bru­der hät­te tei­len müs­sen, sei­en die Pro­zess­kos­ten auch nicht abzieh­bar. Ver­gleich­bar ent­schied kurz zuvor auch das Finanz­ge­richt Schles­wig-Hol­stein in einem ande­ren Fall, in dem es eben­falls um Erb­strei­tig­kei­ten ging. Die noch lau­fen­de Revi­si­on wird kaum zu einem ande­ren Ergeb­nis füh­ren.

  • Schmer­zens­geld: Auch die Kos­ten im Zusam­men­hang mit einem Zivil­pro­zess der die Gel­tend­ma­chung von Schmer­zens­geld­an­sprü­chen betrifft, sind nicht abzieh­bar. Schmer­zens­geld­an­sprü­che sol­len imma­te­ri­el­len Scha­den aus­glei­chen. Schmer­zens­geld kann daher nur für Nicht­ver­mö­gens­schä­den ver­langt wer­den. Ansprü­che wegen imma­te­ri­el­ler Schä­den betref­fen aber nicht den exis­ten­zi­el­len Bereich, auch wenn sie auf den Aus­gleich von Nicht­ver­mö­gens­schä­den durch eine Beein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen Gesund­heit gerich­tet sind. Sie mögen zwar von erheb­li­cher wirt­schaft­li­cher Bedeu­tung sein, sind aber nach Mei­nung des Bun­des­fi­nanz­hofs nicht von exis­ten­zi­el­ler Bedeu­tung.

  • Gebäu­de­schä­den: Das Woh­nen betrifft grund­sätz­lich einen exis­ten­zi­ell wich­ti­gen Bereich. Zivil­pro­zess­kos­ten zur Abwehr von Gebäu­de­schä­den kön­nen daher außer­ge­wöhn­li­che Belas­tun­gen sein, wenn der Besit­zer ansons­ten Gefahr lie­fe, sein Wohn­haus nicht wei­ter zu Wohn­zwe­cken nut­zen zu kön­nen. Im Streit­fall ging es um Hoch­was­ser­schä­den, die durch die regel­mä­ßi­ge Auf­stau­ung eines Flus­ses droh­ten.

  • Bau­män­gel: Die Kos­ten für einen Streit um die Besei­ti­gung von Bau­män­geln sind nicht abzieh­bar. Zwar ist auch hier mit dem Woh­nen ein exis­ten­zi­ell not­wen­di­ger Bereich betrof­fen, aber Bau­män­gel sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs kei­nes­wegs unüb­lich und somit nicht mit unge­wöhn­li­chen Scha­dens­er­eig­nis­sen ver­gleich­bar. Erschwe­rend kam hin­zu, dass der Bau­trä­ger­ver­trag bei der Fra­ge der Män­gel­be­sei­ti­gung wohl nicht ein­deu­tig for­mu­liert war. Der Bun­des­fi­nanz­hof sieht dar­in eine Mit­schuld des Klä­gers. Hat sich der Immo­bi­li­en­käu­fer näm­lich auf unkla­re ver­trag­li­che Gestal­tun­gen ein­ge­las­sen, kann das dem Rechts­streit die für eine außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung not­wen­di­ge Zwangs­läu­fig­keit neh­men.

  • Schei­dungs­kos­ten: Ob Schei­dungs­kos­ten auch nach der Geset­zes­än­de­rung noch als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung abzieh­bar sind, ist unter den Finanz­ge­rich­ten umstrit­ten. Eine Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs gibt es noch nicht. Gegen einen Abzug haben bis­her die Finanz­ge­rich­te Sach­sen und Nie­der­sach­sen ent­schie­den. Dage­gen haben die Finanz­ge­rich­te Rhein­land-Pfalz, Müns­ter und zuletzt Köln den Abzug von Schei­dungs­kos­ten mit teil­wei­se abwei­chen­der Begrün­dung zuge­las­sen. Das Finanz­ge­richt Köln bei­spiels­wei­se meint, dass die Kos­ten eines Schei­dungs­ver­fah­rens nicht unter den Begriff der Pro­zess­kos­ten fal­len. In allen Fäl­len waren aber nur die Kos­ten der Schei­dung abzieh­bar, nicht die Schei­dungs­fol­ge­kos­ten.

  • Schei­dungs­fol­ge­kos­ten: Zu den Schei­dungs­fol­ge­kos­ten, also den Kos­ten für die Ver­fah­ren über Ver­sor­gungs­aus­gleich, Unter­halt, Umgangs­recht und die Ver­mö­gens­aus­ein­an­der­set­zung, hat der Bun­des­fi­nanz­hof bereits ent­schie­den und fest­ge­stellt, dass ein Abzug nicht in Fra­ge kommt. Das gilt auch bei einem Ver­bund­ur­teil, in dem die­se Punk­te gemein­sam mit der Schei­dung ent­schie­den wer­den. Da die­se Aspek­te der Schei­dung auch ohne Mit­wir­kung des Fami­li­en­ge­richts gere­gelt wer­den könn­ten, sind die dadurch ent­ste­hen­den Pro­zess­kos­ten nicht zwangs­läu­fig.