Aktueller Stand der Erbschaftsteuerreform

Der Erbschaftsteuer-Kompromiss der Regierungskoalition ist vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss verwiesen worden.

Sie kommt, sie kommt nicht, sie kommt, sie kommt nicht… Das poli­ti­sche Tau­zie­hen um die Erb­schaft­steu­er­re­form erin­nert immer mehr an das Gän­se­blüm­chen-Ora­kel. Nach lan­gem Streit hat­te sich die Regie­rungs­ko­ali­ti­on im Juni noch kurz vor Ablauf der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gesetz­ten Frist auf ein Reform­pa­ket geei­nigt. Die­ses wur­de vom Bun­des­tag auch prompt ver­ab­schie­det, doch der Bun­des­rat hat in sei­ner letz­ten Sit­zung vor der Som­mer­pau­se statt­des­sen an dem Gesetz erheb­li­che Kri­tik geäu­ßert und es an den Ver­mitt­lungs­aus­schuss ver­wie­sen.

In sei­nem Beschluss kri­ti­siert der Bun­des­rat fast alle im aktu­el­len Gesetz­ent­wurf vor­ge­se­he­nen Rege­lun­gen zur Begüns­ti­gung von Betriebs­ver­mö­gen. Eine Pro­gno­se, wel­che Ände­run­gen noch im Lauf des Ver­mitt­lungs­ver­fah­rens erfol­gen wer­den, ist daher kaum mög­lich. Fast sicher ist nur, dass das neue Recht — wie es auch immer aus­se­hen wird — rück­wir­kend ab dem 1. Juli 2016 in Kraft tre­ten wird. Die­ser Zeit­punkt deckt sich mit dem Ende der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gesetz­ten Frist und steht schon jetzt im Gesetz­ent­wurf. Bis zum Abschluss des Ver­mitt­lungs­ver­fah­rens sind somit kei­ne zuver­läs­si­gen Aus­sa­gen über die Steu­er­be­las­tung im Rah­men einer Unter­neh­mens­nach­fol­ge mehr mög­lich.

Eine schnel­le Klä­rung ist schon auf­grund der par­la­men­ta­ri­schen Som­mer­pau­se eher unwahr­schein­lich, auch wenn sich der Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter deut­lich für einen mög­lichst schnel­len Beginn der Ver­hand­lun­gen noch wäh­rend der Som­mer­pau­se aus­ge­spro­chen hat. Zusätz­li­cher Druck kommt vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, das sich nach dem Schei­tern einer recht­zei­ti­gen Ände­rung in einem Schrei­ben an die Bun­des­re­gie­rung, den Bun­des­tag und den Bun­des­rat gewandt hat. Dar­in kün­digt das Gericht an, sich nach der Som­mer­pau­se Ende Sep­tem­ber mit dem wei­te­ren Vor­ge­hen im Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren um das Erb­schaft­steu­er- und Schen­kungsteu­er­ge­setz befas­sen zu wol­len.

Bis­her hat das Gericht die Rege­lun­gen im Gesetz nur für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt, das alte Recht gilt aber man­gels Neu­re­ge­lung unver­än­dert fort. Im Sep­tem­ber könn­te das Gericht zusätz­lich eine Voll­stre­ckungs­an­ord­nung erlas­sen, in der die bis­he­ri­gen Rege­lun­gen für nich­tig erklärt wer­den. In die­sem Fall gäbe es dann gar kei­ne Steu­er­be­güns­ti­gung für Betriebs­ver­mö­gen mehr, bis sich der Gesetz­ge­ber auf eine Neu­re­ge­lung geei­nigt hat. Alter­na­tiv kann das Gericht auch selbst eine Über­gangs­re­ge­lung tref­fen.

Ob es aber wirk­lich so weit kommt, muss sich zei­gen, denn als der Gesetz­ge­ber vor eini­gen Jah­ren schon ein­mal eine Frist des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ver­strei­chen ließ, genüg­te der Brief aus Karls­ru­he, um die Par­la­men­te zu einer promp­ten Geset­zes­än­de­rung zu moti­vie­ren. Die vom Bun­des­tag beschlos­se­nen Ände­run­gen, die Grund­la­ge des Ver­mitt­lungs­ver­fah­rens sein wer­den, haben wir im Fol­gen­den für Sie zusam­men­ge­fasst, damit Sie sich einen Ein­druck vom aktu­el­len Stand der geplan­ten Begüns­ti­gungs­re­ge­lun­gen für Betriebs­ver­mö­gen machen kön­nen.

  • Regel­ver­scho­nung: Wie im bis­her gel­ten­den Recht wird das begüns­tig­te Ver­mö­gen nach Wahl des Erwer­bers zu 85 % oder zu 100 % von der Steu­er befreit, wenn bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Ent­schei­det sich der Erwer­ber für die Regel­ver­scho­nung von 85 %, muss er den Betrieb min­des­tens fünf Jah­re fort­füh­ren und nach­wei­sen, dass die Lohn­sum­me inner­halb von fünf Jah­ren nach dem Erwerb ins­ge­samt 400 % der Aus­gangs­lohn­sum­me nicht unter­schrei­tet (Lohn­sum­men­re­ge­lung).

  • Opti­ons­ver­scho­nung: Bei der Wahl der voll­stän­di­gen Befrei­ung von der Erb­schaft­steu­er muss der Erwer­ber eine Behal­tens­frist von sie­ben Jah­ren ein­hal­ten und nach­wei­sen, dass er in die­sem Zeit­raum die Lohn­sum­me von 700 % nicht unter­schrei­tet.

  • Klein­be­trie­be: Bei Unter­neh­men mit bis zu 5 Beschäf­tig­ten wird auf die Prü­fung der Lohn­sum­men­re­ge­lung ver­zich­tet. Bei Unter­neh­men mit 6 bis 10 Beschäf­tig­ten darf eine Lohn­sum­me von 250 % der Aus­gangs­lohn­sum­me inner­halb der fünf­jäh­ri­gen Behal­tens­frist nicht unter­schrit­ten wer­den. Bei der Opti­ons­ver­scho­nung beträgt die Lohn­sum­me 500 % inner­halb von sie­ben Jah­ren. Für Unter­neh­men mit 11 bis 15 Arbeit­neh­mern gel­ten ent­spre­chend Lohn­sum­men von 300 % und 565 %. Ab 16 Arbeit­neh­mern sind kei­ne Erleich­te­run­gen vor­ge­se­hen. Beschäf­tig­te in Mut­ter­schutz oder Eltern­zeit, Azu­bis, Sai­son­ar­bei­ter und Lang­zeit­er­krank­te wer­den nicht mit­ge­rech­net.

  • Gro­ße Betriebs­ver­mö­gen: Beim Erwerb von Unter­neh­mens­ver­mö­gen mit einem begüns­tig­ten Ver­mö­gen von über 26 Mio. Euro (Prüf­schwel­le) ist ein Wahl­recht zwi­schen einer Ver­scho­nungs­be­darfs­prü­fung oder einem Ver­scho­nungs­ab­schlag vor­ge­se­hen.

  • Bedürf­nis­prü­fung: Bei der Ver­scho­nungs­be­darfs­prü­fung muss der Erwer­ber sein Pri­vat­ver­mö­gen offen­le­gen und damit nach­wei­sen, dass er nicht in der Lage ist, die Steu­er aus bereits vor­han­de­nen oder aus mit der Erb­schaft oder Schen­kung erhal­te­nem nicht begüns­tig­tem Ver­mö­gen zu beglei­chen. Genü­gen 50 % die­ses Ver­mö­gens nicht, um die Erb­schaft- oder Schen­kungsteu­er zu beglei­chen, wird die Steu­er antei­lig erlas­sen.

  • Ver­scho­nungs­ab­schlag: Alter­na­tiv kann sich der Erwer­ber für ein Abschmelz­mo­dell ent­schei­den. Aus­ge­hend vom nor­ma­len Ver­scho­nungs­ab­schlag von 85 % oder 100 % für das Ver­mö­gen unter­halb von 26 Mio. Euro sinkt die Ver­scho­nung pro zusätz­li­chen 750.000 Euro über die­ser Schwel­le um jeweils 1 % bis zu einem begüns­tig­ten Ver­mö­gen von 90 Mio. Für den Betrag ober­halb von 90 Mio. Euro gibt es dann kei­ne Ver­scho­nung mehr.

  • Ver­wal­tungs­ver­mö­gen: Im bis­he­ri­gen Recht ist ein Ver­wal­tungs­ver­mö­gens­an­teil von bis zu 50 % unschäd­lich. Künf­tig kann nur das begüns­tig­te Ver­mö­gen ver­schont wer­den. Ver­wal­tungs­ver­mö­gen wird aber bis zu einem Anteil von 10 % des Betriebs­ver­mö­gens wie begüns­tig­tes Ver­mö­gen behan­delt. Davon aus­ge­nom­men ist jun­ges Ver­wal­tungs­ver­mö­gen, das dem Betrieb weni­ger als zwei Jah­re zuzu­rech­nen ist. Um die Liqui­di­tät des Unter­neh­mens zu sichern, sind zudem Bar­ver­mö­gen, geld­wer­te For­de­run­gen und ande­re Finanz­mit­tel bis zu einem Anteil von 15 % des Betriebs­ver­mö­gens begüns­tigt.

  • Betei­li­gun­gen und Kon­zer­ne: In mehr­stu­fi­gen Unter­neh­mens­struk­tu­ren mit Betei­li­gungs­ge­sell­schaf­ten wird das begüns­tig­te Ver­mö­gen kon­so­li­diert ermit­telt. Ein Aus­nut­zen des Ver­wal­tungs­ver­mö­gens­an­teils auf jeder Betei­li­gungs­ebe­ne, wie es das gel­ten­de Recht zulässt ist nicht mehr mög­lich.

  • Inves­ti­ti­ons­klau­sel: Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de aus dem Erbe sol­len nicht zum Ver­wal­tungs­ver­mö­gen zäh­len, wenn das Ver­mö­gen nach dem Wil­len des Erb­las­sers inner­halb von zwei Jah­ren nach des­sen Tod für Inves­ti­tio­nen ver­wen­det wird.

  • Fami­li­en­un­ter­neh­men: Bei Vor­lie­gen bestimm­ter für Fami­li­en­un­ter­neh­men typi­scher gesell­schafts­ver­trag­li­cher oder sat­zungs­mä­ßi­ger Beschrän­kun­gen ist ein Steu­er­ab­schlag von bis zu 30 % geplant. Die Höhe des Abschlags rich­tet sich nach den Rege­lun­gen im Gesell­schafts­ver­trag. Außer­dem setzt der Abschlag vor­aus, dass die gesell­schafts­recht­li­chen Beschrän­kun­gen min­des­tens für einen Zeit­raum von 2 Jah­ren vor bis 20 Jah­ren nach dem Ver­mö­gens­über­gang bestehen.

  • Unter­neh­mens­wert: Für das ver­ein­fach­te Ertrags­wert­ver­fah­ren ist eine Ände­rung vor­ge­se­hen, weil die Nied­rig­zins­pha­se zu unrea­lis­tisch hohen Fir­men­wer­ten führt. Bei die­sem Ver­fah­ren ergibt sich der Unter­neh­mens­wert aus der Mul­ti­pli­ka­ti­on des nach­hal­tig erziel­ba­ren Jah­res­er­trags mit einem Kapi­ta­li­sie­rungs­fak­tor. Die­ser Fak­tor, der aktu­ell bei 17,86 liegt, soll dau­er­haft auf einen Kor­ri­dor von 10 bis 12,5 beschränkt wer­den.

  • Steu­er­stun­dung: Bei Erb­schaf­ten soll es einen Anspruch auf eine zins­lo­se Stun­dung der Erb­schaft­steu­er auf Betriebs­ver­mö­gen von bis zu 10 Jah­ren geben, wenn sie aus dem Pri­vat­ver­mö­gen gezahlt wird. Vor­aus­set­zung ist ledig­lich, dass die Lohn­sum­me und die Behal­tens­frist ein­ge­hal­ten wer­den.