Erbschaftsteuerreform für Betriebsvermögen

Mit mehreren Monaten Verspätung hat der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen jetzt umgesetzt.

Bei­na­he zwei Jah­ren haben Bund und Län­der über eine Reform der Erb­schaft­steu­er gestrit­ten, bis es zu einer end­gül­ti­gen Eini­gung kam. Nach dem Bun­des­tag hat auch der Bun­des­rat der Reform der Erb­schaft­steu­er in der vom Ver­mitt­lungs­aus­schuss beschlos­se­nen Form zuge­stimmt, womit die neu­en Regeln nun rück­wir­kend zum 1. Juli 2016 in Kraft tre­ten kön­nen. Die Poli­tik hat damit die vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gesetz­te Frist für eine Reform zwar um meh­re­re Mona­te über­zo­gen, aber immer­hin noch eine Lösung gefun­den, bevor das Gericht selbst aktiv wur­de.

Die Reform behält das bis­he­ri­ge Kon­zept der Begüns­ti­gung von Betriebs­ver­mö­gen bei, dreht aber an zahl­rei­chen Stell­schrau­ben, um den Vor­ga­ben des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu ent­spre­chen. Dane­ben gibt es auch eini­ge Erleich­te­run­gen für Erben, die aber wei­test­ge­hend jeweils an bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen gebun­den sind. Wel­che Regeln bei der Erb­schaft­steu­er auf Betriebs­ver­mö­gen jetzt gel­ten, haben wir im Fol­gen­den für Sie zusam­men­ge­fasst.

  • Regel­ver­scho­nung: Wie im bis­her gel­ten­den Recht wird das begüns­tig­te Ver­mö­gen nach Wahl des Erwer­bers zu 85 % oder zu 100 % von der Steu­er befreit, wenn bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Ent­schei­det sich der Erwer­ber für die Regel­ver­scho­nung von 85 %, muss er den Betrieb min­des­tens fünf Jah­re fort­füh­ren und nach­wei­sen, dass die Lohn­sum­me inner­halb von fünf Jah­ren nach dem Erwerb ins­ge­samt 400 % der Aus­gangs­lohn­sum­me nicht unter­schrei­tet (Lohn­sum­men­re­ge­lung).

  • Opti­ons­ver­scho­nung: Bei der Wahl der voll­stän­di­gen Befrei­ung von der Erb­schaft­steu­er muss der Erwer­ber eine Behal­tens­frist von sie­ben Jah­ren ein­hal­ten und nach­wei­sen, dass er in die­sem Zeit­raum die Lohn­sum­me von 700 % nicht unter­schrei­tet.

  • Klein­be­trie­be: Bis­her waren Betrie­be mit bis zu 20 Beschäf­tig­ten kom­plett von der Lohn­sum­men­re­ge­lung aus­ge­nom­men. Die­se Gren­ze war dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu groß­zü­gig, wes­halb die Anfor­de­run­gen nun nach der Mit­ar­bei­ter­zahl gestaf­felt wer­den. Nur bei Unter­neh­men mit bis zu 5 Beschäf­tig­ten wird auf die Prü­fung der Lohn­sum­men­re­ge­lung gänz­lich ver­zich­tet. Unter­neh­men mit 6 bis 10 Beschäf­tig­ten dür­fen eine Lohn­sum­me von 250 % der Aus­gangs­lohn­sum­me inner­halb der fünf­jäh­ri­gen Behal­tens­frist nicht unter­schrei­ten. Bei der Opti­ons­ver­scho­nung beträgt die Lohn­sum­me 500 % inner­halb von sie­ben Jah­ren. Für Unter­neh­men mit 11 bis 15 Arbeit­neh­mern gel­ten ent­spre­chend Lohn­sum­men von 300 % und 565 %. Ab 16 Arbeit­neh­mern sind kei­ne Erleich­te­run­gen vor­ge­se­hen. Beschäf­tig­te in Mut­ter­schutz oder Eltern­zeit, Azu­bis, Sai­son­ar­bei­ter und Lang­zeit­er­krank­te wer­den weder bei der Beschäf­tig­ten­zahl noch bei der Lohn­sum­me mit­ge­rech­net.

  • Gro­ße Betriebs­ver­mö­gen: Beim Erwerb von Unter­neh­mens­ver­mö­gen mit einem begüns­tig­ten Ver­mö­gen von über 26 Mio. Euro (Prüf­schwel­le) gibt es nun ein Wahl­recht zwi­schen einer Ver­scho­nungs­be­darfs­prü­fung oder einem Ver­scho­nungs­ab­schlag. Für die Gren­ze wer­den alle Erwer­be von der­sel­ben Per­son inner­halb von 10 Jah­ren zusam­men­ge­rech­net, wodurch die Ver­scho­nung auch rück­wir­kend teil­wei­se weg­fal­len kann.

  • Bedürf­nis­prü­fung: Bei der Ver­scho­nungs­be­darfs­prü­fung muss der Erwer­ber sein Pri­vat­ver­mö­gen offen­le­gen und damit nach­wei­sen, dass er nicht in der Lage ist, die Steu­er aus bereits vor­han­de­nen oder aus mit der Erb­schaft oder Schen­kung gleich­zei­tig erhal­te­nem nicht begüns­tig­tem Ver­mö­gen zu beglei­chen. Genü­gen 50 % die­ses Ver­mö­gens nicht, um die Steu­er zu beglei­chen, wird der über­schie­ßen­de Teil der Steu­er antei­lig erlas­sen.

  • Ver­scho­nungs­ab­schlag: Alter­na­tiv kann sich der Erwer­ber für ein Abschmelz­mo­dell ent­schei­den. Aus­ge­hend vom nor­ma­len Ver­scho­nungs­ab­schlag von 85 % oder 100 % für das Ver­mö­gen unter­halb von 26 Mio. Euro sinkt die Ver­scho­nung pro zusätz­li­chen 750.000 Euro über die­ser Schwel­le um jeweils 1 % bis zu einem begüns­tig­ten Ver­mö­gen von 90 Mio. Für den Betrag ober­halb von 90 Mio. Euro gibt es dann kei­ne Ver­scho­nung mehr.

  • Ver­wal­tungs­ver­mö­gen: Im bis­he­ri­gen Recht ist ein Ver­wal­tungs­ver­mö­gens­an­teil von bis zu 50 % unschäd­lich und eben­falls begüns­tigt. Künf­tig kann nur das begüns­tig­te Ver­mö­gen von der Steu­er ver­schont wer­den, nicht aber das Ver­wal­tungs­ver­mö­gen. Der Kata­log von Gegen­stän­den, die aus­drück­lich als Ver­wal­tungs­ver­mö­gen zäh­len, ist eben­falls erwei­tert wor­den. Dazu gehö­ren nun auch Brief­mar­ken­samm­lun­gen, Old­ti­mer, Yach­ten, Segel­flug­zeu­ge sowie sons­ti­ge typi­scher­wei­se der pri­va­ten Lebens­füh­rung die­nen­de Gegen­stän­de, wenn die Her­stel­lung, Ver­ar­bei­tung, Ver­mie­tung oder der Han­del mit die­sen Objek­ten nicht Haupt­zweck des Betrie­bes ist.

  • Aus­nah­men: Ver­wal­tungs­ver­mö­gen wird bis zu einem Anteil von 10 % des Betriebs­ver­mö­gens wie begüns­tig­tes Ver­mö­gen behan­delt. Von der Ver­scho­nung aus­ge­nom­men ist jedoch jun­ges Ver­wal­tungs­ver­mö­gen, das dem Betrieb weni­ger als zwei Jah­re zuzu­rech­nen ist. Um die Liqui­di­tät des Unter­neh­mens zu sichern, sind zudem Bar­ver­mö­gen, geld­wer­te For­de­run­gen und ande­re Finanz­mit­tel bis zu einem Anteil von 15 % des Betriebs­ver­mö­gens begüns­tigt. Auch Ver­wal­tungs­ver­mö­gen, das aus­schließ­lich und dau­er­haft der Erfül­lung von Alters­vor­sor­ge­ver­pflich­tun­gen dient, ist begüns­tigt. Vor­aus­set­zung ist aber, dass die ent­spre­chen­den Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de dem Zugriff aller nicht unmit­tel­bar aus den Alters­vor­sor­ge­ver­pflich­tun­gen unmit­tel­bar berech­tig­ten Gläu­bi­ger ent­zo­gen sind.

  • Grenz­wer­te: Um die Opti­ons­ver­scho­nung von 100 % für das begüns­tig­te Ver­mö­gen in Anspruch zu neh­men, darf das Ver­wal­tungs­ver­mö­gen nicht mehr als 20 % des Unter­neh­mens­werts aus­ma­chen. Umge­kehrt gibt es bei einem Anteil des Ver­wal­tungs­ver­mö­gens von mehr als 90 % gar kei­ne Ver­scho­nung, auch nicht für eigent­lich begüns­tig­tes Ver­mö­gen.

  • Betei­li­gun­gen und Kon­zer­ne: In mehr­stu­fi­gen Unter­neh­mens­struk­tu­ren mit Betei­li­gungs­ge­sell­schaf­ten wird das begüns­tig­te Ver­mö­gen kon­so­li­diert ermit­telt. Ein Aus­nut­zen des Ver­wal­tungs­ver­mö­gens­an­teils auf jeder Betei­li­gungs­ebe­ne, wie es das alte Recht zuge­las­sen hat, ist nicht mehr mög­lich.

  • Inves­ti­ti­ons­klau­sel: Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de aus dem Erbe zäh­len nicht zum Ver­wal­tungs­ver­mö­gen, wenn sie inner­halb von zwei Jah­ren nach dem Tod des Erb­las­sers für Inves­ti­tio­nen im Unter­neh­men ver­wen­det wer­den, die einer ori­gi­när gewerb­li­chen Tätig­keit die­nen. Eine Inves­ti­ti­on in eine ande­re Form von Ver­wal­tungs­ver­mö­gen ist somit nicht begüns­tigt. Eine wei­te­re Vor­aus­set­zung ist, dass die Inves­ti­ti­on auf Grund eines bereits vom Erb­las­ser gefass­ten Plans erfolgt, vom Erben also ledig­lich umge­setzt wird.

  • Fami­li­en­un­ter­neh­men: Wenn bestimm­te für Fami­li­en­un­ter­neh­men typi­sche gesell­schafts­ver­trag­li­che oder sat­zungs­mä­ßi­ge Beschrän­kun­gen exis­tie­ren, gibt es einen Vor­ab-Steu­er­ab­schlag von bis zu 30 % auf den begüns­tig­ten Teil des Betriebs­ver­mö­gens. Die Höhe des Abschlags rich­tet sich nach der im Gesell­schafts­ver­trag fest­ge­schrie­be­nen pro­zen­tua­len Min­de­rung der Abfin­dung für einen aus­schei­den­den Gesell­schaf­ter gegen­über dem Ver­kehrs­wert. Wei­ter­hin muss es eine Beschrän­kung der Gewinn­aus­schüt­tun­gen oder -ent­nah­men sowie eine Ver­fü­gungs­be­schrän­kung für die Unter­neh­mens­an­tei­le geben. Außer­dem setzt der Abschlag vor­aus, dass die gesell­schafts­recht­li­chen Beschrän­kun­gen min­des­tens für einen Zeit­raum von 2 Jah­ren vor bis 20 Jah­ren nach dem Ver­mö­gens­über­gang bestehen.

  • Unter­neh­mens­wert: Beim ver­ein­fach­ten Ertrags­wert­ver­fah­ren wird die Berech­nung des Unter­neh­mens­werts geän­dert, sodass die Wer­te wie­der etwas nied­ri­ger aus­fal­len. Der Unter­neh­mens­wert ergibt sich bei die­sem Ver­fah­ren aus der Mul­ti­pli­ka­ti­on des nach­hal­tig erziel­ba­ren Jah­res­er­trags mit einem Kapi­ta­li­sie­rungs­fak­tor. Die­ser Fak­tor berech­net sich bis­her direkt aus dem jeweils aktu­el­len Basis­zins — je nied­ri­ger der Zins­satz, des­to höher der Kapi­ta­li­sie­rungs­fak­tor. Die anhal­ten­de Nied­rig­zins­pha­se hat aber inzwi­schen zu einem Kapi­ta­li­sie­rungs­fak­tor von 17,86 und damit zu unrea­lis­tisch hohen Fir­men­wer­ten geführt. Jetzt wird der Fak­tor für das lau­fen­de Jahr auf 13,75 fest­ge­schrie­ben. Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um soll den Fak­tor dann bei Bedarf an die Zins­ent­wick­lung anpas­sen. Die­se Ände­rung gilt als ein­zi­ge rück­wir­kend zum 1. Janu­ar 2016 und damit für alle in die­sem Jahr erfolg­ten Unter­neh­mens­über­tra­gun­gen.

  • Steu­er­stun­dung: Im Fall einer Erb­schaft — also nicht bei Schen­kun­gen — wird der Teil der Erb­schaft­steu­er, der auf das begüns­tig­te Betriebs­ver­mö­gen ent­fällt, auf Antrag bis zu sie­ben Jah­re gestun­det. Im ers­ten Jahr erfolgt die Stun­dung zins­los, danach gel­ten die all­ge­mei­nen Ver­zin­sungs­re­ge­lun­gen für Stun­dun­gen. Vor­aus­set­zung für die Stun­dung ist aber, dass die Vor­ga­ben zur Lohn­sum­me und Behal­tens­frist ein­ge­hal­ten wer­den. Bei einem Ver­stoß endet die Stun­dung auto­ma­tisch.

Zur Ver­zö­ge­rung bei der Ver­ab­schie­dung der Erb­schaft­steu­er­re­form kam es, weil der Gesetz­ent­wurf, auf den sich die Gro­ße Koali­ti­on geei­nigt hat­te, vom Bun­des­rat in den Ver­mitt­lungs­aus­schuss ver­wie­sen wur­de. Das Ver­mitt­lungs­er­geb­nis folgt nun im Wesent­li­chen den Ände­run­gen des ursprüng­li­chen Gesetz­ent­wurfs, aller­dings mit eini­gen Ver­schär­fun­gen im Detail. Wie es sich für einen guten Kom­pro­miss gehört, ist nie­mand wirk­lich glück­lich mit dem beschlos­se­nen Gesetz. Für die Poli­tik ist das zwar all­täg­lich, von Exper­ten hört man aber eher sel­ten auch dann noch deut­li­che Kri­tik, wenn das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren bereits abge­schlos­sen ist.

Nichts­des­to­trotz sind eini­ge Exper­ten wei­ter­hin davon über­zeugt, dass auch das neue Erb­schaft­steu­er­recht wei­ter­hin ver­fas­sungs­wid­rig ist. Ob dem tat­säch­lich so ist, kann nur das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Rah­men eines neu­en Ver­fah­rens ent­schei­den. Auf­grund der Beden­ken wird es frü­her oder spä­ter rela­tiv sicher zu einem sol­chen Ver­fah­ren kom­men, aber auf abseh­ba­re Zeit wird das neue Recht Bestand haben.

Das neue Recht ist unzwei­fel­haft näher an den Vor­ga­ben des Ver­fas­sungs­ge­richts als das alte Recht, und selbst die­ses hat das Gericht bis zum Inkraft­tre­ten der Neu­re­ge­lung wei­ter­gel­ten las­sen. Eine even­tu­el­le wei­te­re Ver­schär­fung auf­grund eines neu­en Ver­fah­rens wird daher nicht nur eini­ge Jah­re dau­ern, son­dern auch sicher nicht rück­wir­kend gel­ten. Mit ande­ren Wor­ten: Auf abseh­ba­re Zeit gibt es jetzt wie­der Pla­nungs­si­cher­heit bei der Pla­nung einer opti­ma­len Betriebs- und Genera­tio­nen­nach­fol­ge.