Reform der Insolvenzanfechtung

Die in Kraft getretene Reform der Insolvenzanfechtung beseitigt zwar nicht alle Probleme, schafft aber etwas mehr Sicherheit für Lieferanten und Arbeitnehmer insolventer Betriebe.

Wenn ein Unter­neh­men in die Insol­venz rutscht, kann der Insol­venz­ver­wal­ter mit­un­ter frü­he­re Zah­lun­gen an Lie­fe­ran­ten zurück­for­dern, wenn die Zah­lun­gen ein­zel­ne Gläu­bi­ger zulas­ten der übri­gen Insol­venz­gläu­bi­ger begüns­tigt haben. Die­se Insol­venz­an­fech­tung war ursprüng­lich in ers­ter Linie als Werk­zeug gegen unlau­te­re Ver­mö­gens­ver­schie­bun­gen vor der Insol­venz gedacht. In den letz­ten Jah­ren hat sie sich aber durch die Recht­spre­chung zu einem immer grö­ße­ren Risi­ko für vie­le Fir­men ent­wi­ckelt.

Die Anfech­tung einer Zah­lung war bis­her grund­sätz­lich dann mög­lich, wenn der Lie­fe­rant Kennt­nis von der dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit des insol­ven­ten Unter­neh­mens hat­te, aber trotz­dem die Zah­lung ange­nom­men hat. In ver­schie­de­nen Fäl­len hat der Bun­des­ge­richts­hof unter ande­rem die Ver­ein­ba­rung kulan­ter Zah­lungs­be­din­gun­gen (Raten­zah­lung, lan­ge Zah­lungs­zie­le), die Ver­sen­dung zahl­rei­cher Mah­nun­gen oder die Durch­füh­rung eines gericht­li­chen Mahn­ver­fah­rens als Indiz für die Kennt­nis einer dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit gewer­tet. Die betrof­fe­nen Fir­men muss­ten zum Teil hohe Beträ­ge an den Insol­venz­ver­wal­ter zurück­zah­len.

Die­se Urtei­le haben dazu geführt, das Insol­venz­ver­wal­ter zum Teil bei jedem Lie­fe­ran­ten eine Insol­venz­an­fech­tung gel­tend gemacht haben, der in den letz­ten Jah­ren eine Mah­nung an das insol­ven­te Unter­neh­men gesen­det hat­te. Im Ein­zel­fall sind Lie­fe­ran­ten durch eine sol­che Insol­venz­an­fech­tung selbst in die Insol­venz gerutscht. Um etwas mehr Rechts­si­cher­heit zu schaf­fen, haben Bun­des­tag und Bun­des­rat eine Reform der Insol­venz­an­fech­tung ver­ab­schie­det, die am 5. April 2017 in Kraft getre­ten ist. Die im Fol­gen­den zusam­men­ge­fass­ten Ände­run­gen gel­ten für alle Insol­venz­ver­fah­ren, die ab die­sem Tag eröff­net wer­den.

  • Anfech­tungs­frist: Die Anfech­tungs­frist für die Bezah­lung von erbrach­ten Lie­fe­run­gen oder Leis­tun­gen wur­de deut­lich ver­kürzt, näm­lich von zehn auf jetzt vier Jah­re.

  • Zah­lungs­ver­ein­ba­run­gen: Hat­te der Zah­lungs­emp­fän­ger mit dem insol­ven­ten Betrieb eine Zah­lungs­ver­ein­ba­rung getrof­fen oder die­sem in sons­ti­ger Wei­se eine Zah­lungs­er­leich­te­rung gewährt, gilt jetzt eine gesetz­li­che Ver­mu­tung, dass er zur Zeit der Hand­lung die Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners nicht kann­te. Der Insol­venz­ver­wal­ter muss also für eine Anfech­tung zunächst bewei­sen, dass doch eine Kennt­nis bestand.

  • Kon­gru­en­te Deckung: Erbringt ein Schuld­ner die Zah­lung oder Leis­tung wie ver­ein­bart (kon­gru­en­te Deckung), darf eine Kennt­nis vom Vor­satz der Benach­tei­li­gung ande­rer Gläu­bi­ger jetzt nur noch dann ver­mu­tet wer­den, wenn der Gläu­bi­ger Kennt­nis von einer bereits ein­ge­tre­te­nen Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners hat­te. Bis­her galt eine sol­che Ver­mu­tung bereits bei Kennt­nis einer nur dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit. Das soll dem Umstand Rech­nung tra­gen, dass eine kon­gru­en­te Deckung nichts wei­ter ist als die kor­rek­te Erfül­lung einer ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung und dass der Schuld­ner vor Ein­tritt der Insol­venz grund­sätz­lich frei ist zu ent­schei­den, wel­che For­de­run­gen er erfüllt.

  • Bar­ge­schäfts­pri­vi­leg: Geschäf­te, bei denen Leis­tung und Gegen­leis­tung unmit­tel­bar auf­ein­an­der fol­gen, sind nur unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen anfecht­bar. Eine Vor­satz­an­fech­tung soll nur noch dann mög­lich sein, wenn der Schuld­ner unlau­ter gehan­delt und der Leis­tungs­emp­fän­ger dies erkannt hat. Außer­dem müs­sen künf­tig bei der Fra­ge, wann ein unmit­tel­ba­rer Leis­tungs­aus­tausch und damit ein Bar­ge­schäft vor­liegt, die Gepflo­gen­hei­ten des Geschäfts­ver­kehrs für das jewei­li­ge Geschäft berück­sich­tigt wer­den.

  • Arbeits­lohn: Künf­tig kön­nen Arbeits­löh­ne nicht ange­foch­ten wer­den, solan­ge zwi­schen Arbeits­leis­tung und Lohn­zah­lung nicht mehr als drei Mona­te lie­gen.

  • Ver­zin­sung: Die bis­he­ri­gen Rege­lun­gen zur Ver­zin­sung von Anfech­tungs­an­sprü­chen führ­ten dazu, dass es einen Anreiz gab, die Ansprü­che erst so spät wie mög­lich gel­tend zu machen, um eine mög­lichst hohe Ver­zin­sung zu errei­chen. Jetzt wer­den Anfech­tungs­an­sprü­che erst ab Ein­tritt des Ver­zugs oder der Rechts­hän­gig­keit ver­zinst. Die­se neue Ver­zin­sungs­re­ge­lung gilt ab Inkraft­tre­ten des Geset­zes auch für Anfech­tungs­an­sprü­che aus bereits vor­her eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren.