Änderungen bei der Umsatzsteuer ab 2020

Neben Änderungen bei grenzüberschreitenden Geschäften ändern sich im Umsatzsteuerrecht 2020 einige Grenzwerte und die Steuersätze für bestimmte Produkte und Leistungen.

Auch bei der Umsatz­steu­er hat sich zum Jah­res­wech­sel eini­ges geän­dert. Neben der Absen­kung des Steu­er­sat­zes auf bestimm­te Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen sind das in ers­ter Linie Ände­run­gen für den grenz­über­schrei­ten­den Han­del. Außer­dem wur­den die Grenz­wer­te für Klein­be­trie­be ange­ho­ben und eini­ge Rege­lun­gen neu in das Umsatz­steu­er­ge­setz auf­ge­nom­men.

  • Klein­un­ter­neh­mer­gren­ze: Die Anwen­dung der Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung setzt seit 2003 vor­aus, dass der Umsatz im ver­gan­ge­nen Kalen­der­jahr 17.500 Euro nicht über­schrit­ten hat und 50.000 Euro im lau­fen­den Kalen­der­jahr vor­aus­sicht­lich nicht über­stei­gen wird. Ab 2020 wird die ers­te Gren­ze nun auf 22.000 Euro ange­ho­ben, was der Höhe nach der Infla­ti­ons­ra­te seit der letz­ten Anpas­sung der Klein­un­ter­neh­mer­gren­ze ent­spricht. Der zwei­te Grenz­be­trag bleibt unver­än­dert bei 50.000 Euro.

  • Ist-Ver­steue­rung: Die jähr­li­che Umsatz­gren­ze bei der Ist-Ver­steue­rung wird 2020 um 100.000 Euro ange­ho­ben. Damit gibt es nach der 2015 erfolg­ten Anhe­bung der Buch­füh­rungs­gren­ze ab 2020 wie­der einen Gleich­klang von Ist-Ver­steue­rungs- und Buch­füh­rungs­gren­ze.

  • Sofort­maß­nah­men: Vor eini­ger Zeit hat sich die EU-Kom­mis­si­on eine wesent­li­che Über­ar­bei­tung des EU-Mehr­wert­steu­er­sys­tems vor­ge­nom­men. Das seit 1993 gel­ten­de Sys­tem soll vor­aus­sicht­lich bis 2022 einer grund­le­gen­den Reform unter­zo­gen wer­den. Weil die Bera­tung zwi­schen den Mit­glied­staa­ten zu einer so umfas­sen­den Reform aber viel Zeit in Anspruch nimmt, führt die EU auch am bis­he­ri­gen Sys­tem noch Ände­run­gen durch. Der Rat der EU hat daher meh­re­re Sofort­maß­nah­men (“Quick Fixes”) zur Bekämp­fung des Umsatz­steu­er­be­trugs und Ver­bes­se­rung der Rechts­si­cher­heit bei grenz­über­schrei­ten­den Geschäf­ten beschlos­sen. Die­se Ände­run­gen sol­len spe­zi­fi­sche Pro­ble­me bei der Steu­er­be­frei­ung und dem Nach­weis inner­ge­mein­schaft­li­cher Lie­fe­run­gen, bei Rei­hen­ge­schäf­ten und bei Kon­si­gna­ti­ons­la­gern lösen, bis das neue Mehr­wert­steu­er­sys­tem kommt. Sie wur­den zum 1. Janu­ar 2020 in natio­na­les Recht umge­setzt.

  • EU-Lie­fe­run­gen: Die Anga­be der USt-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer (USt­IdNr.) des Käu­fers wird EU-weit als zusätz­li­che Vor­aus­set­zung für die Umsatz­steu­er­be­frei­ung einer inner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung von Gegen­stän­den fest­ge­schrie­ben. Die USt­IdNr. ist nach die­ser Ände­rung nicht nur eine for­ma­le, son­dern eine mate­ri­el­le Vor­aus­set­zung, ohne die eine Steu­er­be­frei­ung nicht in Fra­ge kommt. Außer­dem wird die Steu­er­be­frei­ung für eine inner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­rung ver­wei­gert, wenn der lie­fern­de Unter­neh­mer sei­ner Pflicht zur Abga­be der Zusam­men­fas­sen­den Mel­dung nicht oder nicht voll­stän­dig und rich­tig nach­ge­kom­men ist. Berich­tigt der Unter­neh­mer eine ursprüng­lich unrich­ti­ge oder unvoll­stän­di­ge Zusam­men­fas­sen­de Mel­dung oder gibt die­se ver­spä­tet ab, greift die Steu­er­be­frei­ung rück­wir­kend.

  • Rei­hen­ge­schäf­te: Um die Rechts­si­cher­heit bei der umsatz­steu­er­li­chen Behand­lung von Rei­hen­ge­schäf­ten zu ver­bes­sern, gel­ten ab 2020 EU-weit ein­heit­li­che Kri­te­ri­en. Als Rei­hen­ge­schäf­te wer­den auf­ein­an­der­fol­gen­de Lie­fe­run­gen der­sel­ben Gegen­stän­de bezeich­net, an denen mehr als zwei Par­tei­en betei­ligt sind, bei denen die Gegen­stän­de aber direkt vom ers­ten Lie­fe­rer zum letz­ten Abneh­mer beför­dert wer­den. Die inner­ge­mein­schaft­li­che Beför­de­rung der Gegen­stän­de wird ein­deu­tig einer der Lie­fe­run­gen zuge­ord­net, und nur die­se Lie­fe­rung kommt in den Genuss der für inner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­run­gen vor­ge­se­he­nen Steu­er­be­frei­ung. Wird die Ware durch den ers­ten Unter­neh­mer in der Rei­he beför­dert oder ver­sen­det, wird die Waren­be­we­gung sei­ner Lie­fe­rung zuge­ord­net. Ver­an­lasst dage­gen der letz­te Abneh­mer den Trans­port, ist die Beför­de­rung oder Ver­sen­dung der Lie­fe­rung ihm zuzu­ord­nen. Wird die Ware schließ­lich durch einen Zwi­schen­händ­ler beför­dert oder ver­sen­det, ist die Waren­be­we­gung der Lie­fe­rung an ihn zuzu­ord­nen, es sei denn, er weist nach, dass er die Ware als Lie­fe­rer trans­por­tiert hat oder er ver­wen­det eine gül­ti­ge USt­IdNr., die ihm im Start­land der Beför­de­rung oder Ver­sen­dung erteilt wur­de. Die ande­ren Lie­fe­run­gen der Rei­he wer­den besteu­ert und kön­nen die Regis­trie­rung des Lie­fe­rers im Mit­glied­staat der Lie­fe­rung erfor­dern.

  • Kon­si­gna­ti­ons­la­ger: Die letz­te Sofort­maß­nah­me sieht eine ver­ein­fach­te und ein­heit­li­che Behand­lung für die Kon­si­gna­ti­ons­la­ger­re­ge­lun­gen vor, bei denen ein Ver­käu­fer Gegen­stän­de in ein Lager ver­bringt, das einem bekann­ten Erwer­ber in einem ande­ren Mit­glied­staat zur Ver­fü­gung steht. Durch die Neu­re­ge­lung wird die Lie­fe­rung aus einem Kon­si­gna­ti­ons­la­ger zu einer inner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung statt wie bis­her als inner­ge­mein­schaft­li­che Ver­brin­gung mit anschlie­ßen­der loka­ler Lie­fe­rung behan­delt zu wer­den. Das erspart dem Ver­käu­fer die Not­wen­dig­keit, sich im Bestim­mungs­land steu­er­lich regis­trie­ren zu las­sen und dort die umsatz­steu­er­li­chen Rege­lun­gen für natio­na­le Lie­fe­run­gen zu erfül­len.

  • Aus­fuhr­lie­fe­run­gen: Aus­fuhr­lie­fe­run­gen im nicht­kom­mer­zi­el­len Rei­se­ver­kehr sind nun erst dann von der Umsatz­steu­er befreit, wenn der Gesamt­wert der Lie­fe­rung ein­schließ­lich Umsatz­steu­er 50 Euro über­steigt. Eine Zusam­men­fas­sung meh­re­rer Rech­nun­gen, um dadurch die Wert­gren­ze zu über­schrei­ten, ist nicht zuläs­sig. Die Wert­gren­ze ent­fällt zum Ende des Jah­res, in dem das bereits in Vor­be­rei­tung befind­li­che IT-Ver­fah­ren zur auto­ma­ti­sier­ten Ertei­lung der Aus­fuhr- und Abneh­mer­be­schei­ni­gun­gen in Deutsch­land in Betrieb geht. Die Ände­rung betrifft vor allem Baga­tell­fäl­le bei Aus­fuhr­lie­fe­run­gen in die Schweiz.

  • Bahn­fahr­kar­ten: Bahn­fah­ren soll ab 2020 güns­ti­ger und dadurch attrak­ti­ver sein. Der Umsatz­steu­er­satz auf Bahn­fahr­kar­ten im Fern­ver­kehr wur­de dazu von 19 % auf 7 % gesenkt und damit dem Steu­er­satz im Nah­ver­kehr ange­gli­chen. Bahn­fahr­ten im Fern­ver­kehr wer­den damit rund 10 % güns­ti­ger.

  • E-Books & Hör­bü­cher: Die EU hat­te den Mit­glied­staa­ten die Mög­lich­keit ein­ge­räumt, auf Medi­en unab­hän­gig von der äuße­ren Form einen ermä­ßig­ten Steu­er­satz anzu­wen­den. Dies wur­de zum 18. Dezem­ber 2019 in deut­sches Recht umge­setzt. Seit­her unter­lie­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen in elek­tro­ni­scher Form dem ermä­ßig­ten Steu­er­satz von 7 %, wenn sie funk­tio­nal her­kömm­li­chen Büchern, Zei­tun­gen oder Zeit­schrif­ten ent­spre­chen. Das gilt auch für rei­ne Online-Publi­ka­tio­nen mit oder ohne Down­load­mög­lich­keit für belie­bi­ge End­ge­rä­te sowie den Ein­zel­ab­ruf von Bei­trä­gen aus einer Online-Daten­bank. Hör­bü­cher sind nun auch dann begüns­tigt, wenn sie in einem elek­tro­ni­schen For­mat erwor­ben wer­den. Bis­lang war die Begüns­ti­gung auf CDs und ande­re kör­per­li­che Medi­en beschränkt. Begüns­tigt ist auch der Zugang zu Daten­ban­ken, die eine Viel­zahl von elek­tro­ni­schen Büchern, Zei­tun­gen oder Zeit­schrif­ten oder Tei­le von die­sen ent­hal­ten. Die Steu­er­ermä­ßi­gung gilt sowohl für die dau­er­haf­te als auch für die befris­te­te Über­las­sung elek­tro­ni­scher Medi­en. Aus­ge­nom­men von der Steu­er­ermä­ßi­gung sind dage­gen elek­tro­ni­sche Medi­en, die über­wie­gend aus Video­in­hal­ten oder Musik bestehen sowie Ver­öf­fent­li­chun­gen, die über­wie­gend Wer­be­zwe­cken die­nen und jugend­ge­fähr­den­de Medi­en.

  • Mens­trua­ti­ons­pro­duk­te: Auch für “Erzeug­nis­se für Zwe­cke der Monats­hy­gie­ne” gilt seit dem 18. Dezem­ber 2019 der ermä­ßig­te Umsatz­steu­er­satz.

  • Rei­se­leis­tun­gen: Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat­te ent­schie­den, dass die deut­sche Son­der­re­ge­lung für Rei­se­leis­tun­gen inso­weit uni­ons­rechts­wid­rig ist, als dass Rei­se­leis­tun­gen für Kun­den, die die­se für ihr Unter­neh­men nut­zen, von der Son­der­re­ge­lung aus­ge­schlos­sen sind. Daher wer­den sol­che B2B-Geschäf­te nun eben­falls in die Son­der­re­ge­lung ein­be­zo­gen.

  • Steu­er­be­frei­ung: Ab 2020 sind sons­ti­ge Leis­tun­gen von selb­stän­di­gen Per­so­nen­zu­sam­men­schlüs­sen an ihre Mit­glie­der für unmit­tel­ba­re Zwe­cke ihrer nicht steu­er­ba­ren oder steu­er­frei­en Umsät­ze von der Umsatz­steu­er befreit. Die an das jewei­li­ge Mit­glied erbrach­te sons­ti­ge Leis­tung muss zur Aus­füh­rung der nicht steu­er­ba­ren oder steu­er­frei­en Leis­tun­gen unmit­tel­bar ver­wen­det wer­den. Dies ist bei­spiels­wei­se der Fall, wenn ärzt­li­che Pra­xis- und Appa­ra­te­ge­mein­schaf­ten Gerä­te zen­tral beschaf­fen und ihren Mit­glie­dern zur Ver­fü­gung stel­len und Labor­un­ter­su­chun­gen oder wei­te­re medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen für ihre Mit­glie­der aus­füh­ren. Tätig­kei­ten, die ledig­lich mit­tel­bar der Aus­füh­rung von nicht steu­er­ba­ren oder steu­er­frei­en Umsät­zen der Mit­glie­der die­nen (z. B. all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­leis­tun­gen), fal­len dage­gen nicht unter die Befrei­ung, weil sie die­se allen­falls för­dern. Wei­ter­hin setzt die Steu­er­be­frei­ung vor­aus, dass das Ent­gelt für die Leis­tung ledig­lich ein Kos­ten­er­satz ist.

  • Fis­kal­ver­tre­ter: Ein im Aus­land ansäs­si­ges Unter­neh­men kann sich im Inland durch einen Fis­kal­ver­tre­ter ver­tre­ten las­sen, wenn es im Inland aus­schließ­lich umsatz­steu­er­freie Umsät­ze tätigt und kei­nen Vor­steu­er­ab­zug gel­tend machen kann. Gesetz­lich sind Fis­kal­ver­tre­ter der­zeit nur ver­pflich­tet, eine Umsatz­steu­er-Jah­res­er­klä­rung ein­zu­rei­chen. Künf­tig sind sie auch zur Abga­be vier­tel­jähr­li­cher Umsatz­steu­er-Vor­anmel­dun­gen und ggf. Zusam­men­fas­sen­der Mel­dun­gen ver­pflich­tet.

  • Umsatz­steu­er­hin­ter­zie­hung: Sofern ein Unter­neh­mer wuss­te oder hät­te wis­sen müs­sen, dass er sich mit sei­ner Leis­tung oder sei­nem Leis­tungs­be­zug an einem Umsatz betei­ligt, der von einem ande­ren Betei­lig­ten auf einer vor­her­ge­hen­den oder nach­fol­gen­den Umsatz­stu­fe in eine Umsatz­steu­er­hin­ter­zie­hung oder in die Erlan­gung eines nicht gerecht­fer­tig­ten Vor­steu­er­ab­zugs ein­be­zo­gen war, kann das Finanz­amt ihm den Vor­steu­er­ab­zug oder die Steu­er­be­frei­ung für die­sen Umsatz ver­wei­gern.