Rechtswidrige Erkenntnisse aus einer Betriebsprüfung

Wird eine Betriebsprüfung zielgerichtet dazu genutzt, Erkenntnisse über Dritte zu gewinnen, so sind diese Erkenntnisse rechtswidrig erlangt und deshalb unverwertbar.

Das Finanz­ge­richt Nie­der­sa­chen hat ent­schie­den, dass Ermitt­lungs­er­geb­nis­se aus einer Betriebs­prü­fung, bei der es ziel­ge­rich­tet dar­um ging, Erkennt­nis­se über Drit­te zu erhal­ten, rechts­wid­rig erlangt wur­den und des­halb unver­wert­bar sind. In dem vom Finanz­ge­richt Nie­der­sach­sen ent­schie­de­nen Fall ging es um meh­re­re vom Finanz­amt durch­ge­führ­te Betriebs­prü­fun­gen, die in Gast­stät­ten und bei Saal­be­trei­bern statt­fan­den, um dort die steu­er­li­chen Ver­hält­nis­se einer Tanz­ka­pel­le aus­zu­for­schen. Bei den Betriebs­prü­fun­gen wur­den Erkennt­nis­se über die Tanz­ka­pel­le gesam­melt, die schließ­lich dazu führ­ten, dass das Finanz­amt auf­de­cken konn­te, dass die Tanz­ka­pel­le die Ein­nah­men aus ihren Auf­trit­ten ent­we­der gar nicht oder deut­lich nied­ri­ger ange­ge­ben hat­te. Infol­ge die­ser Erkennt­nis wur­den die Steu­er­be­schei­de der Tanz­ka­pel­le erheb­lich zu deren Nach­teil abge­än­dert — wor­auf­hin die Tanz­ka­pel­le klag­te.

Das Finanz­ge­richt hat nun fest­ge­stellt, dass die bei den Betriebs­prü­fun­gen über die Tanz­ka­pel­le gesam­mel­ten Infor­ma­tio­nen ver­fah­rens­feh­ler­haft erlangt wur­den. Eine Betriebs­prü­fung hat den Zweck, die Ver­hält­nis­se des Steu­er­pflich­ti­gen offen zu legen, bei dem die Prü­fung durch­ge­führt wird. Es ist natür­lich denk­bar, dass man dabei auch auf Erkennt­nis­se stößt, die einen Drit­ten betref­fen. Zunächst spricht auch nichts dage­gen, die ent­spre­chen­den Erkennt­nis­se über den Drit­ten zu ver­wer­ten. Vor­aus­set­zung ist jedoch, dass sie “anläss­lich” der Betriebs­prü­fung erlangt wur­den. Das heißt, dass sie bei der Aus­füh­rung der Betriebs­prü­fung im Hin­blick auf das eigent­li­che Ziel­ob­jekt, näm­lich den Steu­er­pflich­ti­gen, sozu­sa­gen zufäl­lig erlangt wor­den sein müs­sen.

Im vor­lie­gen­den Fall war dies gera­de nicht der Fall: Hier wur­de die Betriebs­prü­fung nur aus dem Grund und mit dem allei­ni­gen Ziel durch­ge­führt, Erkennt­nis­se über die Tanz­ka­pel­le zu erhal­ten. Folg­lich wur­den die Infor­ma­tio­nen nicht “anläss­lich”, son­dern aus­schließ­lich “bei Gele­gen­heit” der Betriebs­prü­fung beschafft. Die Betriebs­prü­fung war somit nur ein Vor­wand — der Steu­er­pflich­ti­ge, bei dem die Prü­fung durch­ge­führt wur­de, war nicht das tat­säch­li­che Ziel­ob­jekt.

Damit waren die Infor­ma­tio­nen über die Tanz­ka­pel­le nicht ord­nungs­ge­mäß und nicht recht­mä­ßig beschafft wor­den. Zur Debat­te steht dann die Fra­ge, ob man dem Recht des Ein­zel­nen auf ein for­mal recht­mä­ßi­ges Ver­fah­ren den Vor­rang vor einer gesetz­mä­ßi­gen und gleich­mä­ßi­gen Steu­er­fest­set­zung gibt. Das Finanz­ge­richt Nie­der­sach­sen hat dem Indi­vi­dual­in­ter­es­se der Tanz­ka­pel­le die Prio­ri­tät ein­ge­räumt — das Finanz­amt hat­te das Nach­se­hen. In die­sem Fall hei­lig­te der Zweck nicht die Mit­tel.