Rentenversicherungspflicht für Gesellschafter-Geschäftsführer?

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass auch Gesellschafter-Geschäftsführer versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sein können.

Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat in einem Auf­se­hen erre­gen­den Urteil ent­schie­den, dass auch Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer ren­ten­ver­si­che­rungs­pflich­tig sein kön­nen. Begrün­det wird dies damit, dass der Geschäfts­füh­rer in der Regel nur für einen Auf­trag­ge­ber tätig ist, näm­lich die GmbH, mit der er sei­nen Dienst­ver­trag geschlos­sen hat, und selbst kei­ne Arbeit­neh­mer beschäf­tigt. Damit erfüllt auch der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer die Kri­te­ri­en eines arbeit­neh­mer­ähn­li­chen Selbst­stän­di­gen und fällt in die Grup­pe der so genann­ten Schein­selbst­stän­di­gen.

Mit sei­nem Urteil ist das Bun­des­so­zi­al­ge­richt von der Auf­fas­sung der Ver­si­che­rungs­trä­ger abge­wi­chen, die bis­her aus­schließ­lich auf die Ver­hält­nis­se der GmbH abge­stellt haben: Maß­geb­lich war, ob die GmbH ledig­lich für einen Auf­trag­ge­ber tätig ist und ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Arbeit­neh­mer beschäf­tigt. Die Ver­hält­nis­se der GmbH wur­den dann dem Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer zuge­rech­net. Gemäß der neu­en Recht­spre­chung ist nun­mehr allein maß­geb­lich, ob der Geschäfts­füh­rer selbst die genann­ten Vor­aus­set­zun­gen der Ver­si­che­rungs­pflicht erfüllt.

Das Urteil über­rascht auch Exper­ten, denn es ist eine rein for­ma­le Aus­le­gung des Geset­zes­wort­lauts. Vom Gesetz­ge­ber war dies wohl nicht beab­sich­tigt, aber das Gericht ver­wei­gert sich einer zusätz­li­chen Prü­fung der Inten­ti­on des Geset­zes. Es blei­ben zumin­dest noch eine gan­ze Rei­he von Fra­gen offen, bei­spiels­wei­se wie ein Gesell­schaf­ter gleich­zei­tig eine Gesell­schaft beherr­schen und von ihr abhän­gig sein kann. Auch der all­ge­mein gewoll­ten und im Steu­er­recht schon lan­ge ange­streb­ten rechts­form­un­ab­hän­gi­gen Behand­lung von Unter­neh­mern läuft die­se Ent­schei­dung im Prin­zip zuwi­der.

Momen­tan sind die Kon­se­quen­zen die­ses Urteils noch nicht recht abseh­bar. Wäh­rend die bis­he­ri­gen Kom­men­ta­re von “einer kon­se­quen­ten Umset­zung des Geset­zes” bis zu einer “nicht nach­voll­zieh­ba­ren Erd­rut­schent­schei­dung rei­chen”, liegt von den Ren­ten­ver­si­che­rungs­trä­gern noch kei­ne Stel­lung­nah­me vor.

Im schlimms­ten Fall droht den betrof­fe­nen GmbHs eine nach­träg­li­che Bei­trags­for­de­rung für meh­re­re Jah­re, denn inwie­weit hier Ver­trau­ens­schutz für die Ver­gan­gen­heit gilt, ist eben­falls noch nicht klar. Dass sich der chro­nisch klam­men Ren­ten­ver­si­che­rung hier kurz­fris­tig eine neue Geld­quel­le erschlie­ßen könn­te, lässt jeden­falls nichts Gutes ahnen.

Nun sind meh­re­re Mög­lich­kei­ten denk­bar, um der Ver­si­che­rungs­pflicht zumin­dest in Zukunft zu ent­ge­hen. So kann der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer selbst einen oder meh­re­re sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Arbeit­neh­mer der GmbH ein­stel­len und die­se dann der GmbH im Rah­men eines Dienst­ver­schaf­fungs­ver­tra­ges über­las­sen. Auch wenn der Geschäfts­füh­rer neben der GmbH noch ande­re Auf­trag­ge­ber hat, von denen er min­des­tens ein Sechs­tel sei­ner Ein­künf­te bezieht, ent­fällt die Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflicht.

Bei bei­den Vari­an­ten sind jedoch noch ande­re juris­ti­sche Fall­stri­cke zu beach­ten: Über­lässt der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer eige­ne Arbeit­neh­mer der GmbH, muss er auf­pas­sen, dass er nicht gegen die Bestim­mun­gen des Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­set­zes ver­stößt. Und bei meh­re­ren Auf­trag­ge­bern wäre zunächst zu prü­fen, ob dem Geschäfts­füh­rer aus sei­nem Anstel­lungs­ver­trag eine Neben­tä­tig­keit über­haupt erlaubt ist und die­se nicht gegen ein even­tu­el­les Wett­be­werbs­ver­bot ver­stößt.

In beson­de­ren Fäl­len kommt eben­falls eine Befrei­ung von der Ver­si­che­rungs­pflicht in Fra­ge, näm­lich wenn der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer bei Ein­tritt der Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflicht das 58. Lebens­jahr voll­endet hat. Auch bei Auf­nah­me einer erst­ma­li­gen oder wei­te­ren selbst­stän­di­gen Tätig­keit als Exis­tenz­grün­der, die die Kri­te­ri­en der Schein­selbst­stän­dig­keit erfüllt, ist eine Befrei­ung mög­lich, aller­dings nur für die Dau­er von drei Jah­ren.

Abschlie­ßend ist fest­zu­hal­ten, dass die­se Ent­schei­dung nur für die Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflicht gilt. In den ande­ren Zwei­gen der Sozi­al­ver­si­che­rung sind beherr­schen­de Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer auch wei­ter­hin nicht ver­si­che­rungs­pflich­tig.