Entwurf des Wachstumschancengesetzes

Mit einem umfangreichen Steueränderungsgesetz, das vor allem Erleichterungen und Vereinfachungen enthält, will die Bundesregierung neue Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft setzen.

Um wohl­klin­gen­de Namen für pro­fa­ne Ände­rungs­ge­set­ze war die Poli­tik noch nie ver­le­gen. Kein Wun­der also, dass sich das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um die viel­ver­spre­chen­de Kurz­be­zeich­nung “Wachs­tums­chan­cen­ge­setz” für ein umfang­rei­ches Steu­er­än­de­rungs­ge­setz hat ein­fal­len las­sen. Den ers­ten Ent­wurf für die­ses “Gesetz zur Stär­kung von Wachs­tums­chan­cen, Inves­ti­tio­nen und Inno­va­ti­on sowie Steu­er­ver­ein­fa­chung und Steu­er­fair­ness”, wie das Gesetz mit vol­lem Namen heißt, hat das Minis­te­ri­um pünkt­lich zum Beginn der par­la­men­ta­ri­schen Som­mer­pau­se ver­öf­fent­licht.

Das Gesetz ent­hält vie­le dut­zend Ände­run­gen in den ver­schie­dens­ten Steu­er­ge­set­zen und dürf­te damit die Funk­ti­on des Jah­res­steu­er­ge­set­zes für die­ses Jahr erfül­len. Der Umfang des Gesetz­ent­wurfs spricht eben­falls dafür: Mit 279 Sei­ten über­trifft er den Ent­wurf des letz­ten Jah­res­steu­er­ge­set­zes um fast 100 Sei­ten. Zwar sind nicht alle Ände­run­gen rund­weg im Sin­ne der Steu­er­zah­ler, aber das Gesetz trägt sei­nen Namen auch nicht ganz zu Unrecht.

Fast alle bis­her in dem Gesetz geplan­ten Maß­nah­men ver­bes­sern oder ver­ein­fa­chen das Steu­er­recht für Unter­neh­men und Pri­vat­leu­te. Ein Kern­punkt ist die Reform der Abschrei­bungs­re­geln für Wirt­schafts­gü­ter mit gerin­gem Wert. Außer­dem wird eine Inves­ti­ti­ons­prä­mie für kli­ma­freund­li­che Inves­ti­tio­nen ein­ge­führt. Hier ist ein Über­blick der wich­tigs­ten geplan­ten Ände­run­gen:

  • Inves­ti­ti­ons­prä­mie: Für Inves­ti­tio­nen, die durch Ener­gie­ein­spa­run­gen zum Kli­ma­schutz bei­tra­gen, wird eine Inves­ti­ti­ons­prä­mie von 15 % der Inves­ti­ti­ons­kos­ten ein­ge­führt. Vor­aus­set­zun­gen für die Prä­mie sind, dass die Anschaf­fungs- oder Her­stel­lungs­kos­ten je Wirt­schafts­gut min­des­tens 10.000 Euro betra­gen, das Gesamt­in­ves­ti­ti­ons­vo­lu­men min­des­tens 50.000 Euro umfasst und der Antrag­stel­ler betrieb­li­che Ein­künf­te erzielt (Gewer­be, Frei­be­ruf­ler, Land- und Forst­wirt­schaft). Sofern die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, kön­nen bis Ende 2027 maxi­mal zwei Anträ­ge auf die Inves­ti­ti­ons­prä­mie für ein Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men von ins­ge­samt maxi­mal 200 Mio. Euro gestellt wer­den. Pro Antrag­stel­ler wird damit eine Inves­ti­ti­ons­prä­mie von maxi­mal 30 Mio. Euro gewährt (15 % aus 200 Mio. Euro).

  • Gering­wer­ti­ge Wirt­schafts­gü­ter: 2018 wur­de die über Jahr­zehn­te bei­na­he unver­än­der­te Gren­ze für die Sofort­ab­schrei­bung gering­wer­ti­ger Wirt­schafts­gü­ter auf 800 Euro ange­ho­ben. Die dama­li­gen Plä­ne, die­se Gren­ze gleich auf 1.000 Euro anzu­he­ben, fan­den damals kei­ne Mehr­heit, wer­den nun aber für ab dem 1. Janu­ar 2024 ange­schaff­te Wirt­schafts­gü­ter umge­setzt. Weil durch die­se Ände­rung die Sam­mel­pos­ten­re­ge­lung in ihrer bis­he­ri­gen Form über­flüs­sig wür­de, wird auch die­se ange­passt.

  • Sam­mel­pos­ten­ab­schrei­bung: Die Abschrei­bung für Wirt­schafts­gü­ter mit einem Wert zwi­schen 250 und 1.000 Euro in einem Sam­mel­pos­ten wird deut­lich aus­ge­wei­tet und damit für vie­le Betrie­be zu einer ech­ten Alter­na­ti­ve zur GWG-Abschrei­bung. In den Sam­mel­pos­ten kön­nen ab 2024 Wirt­schafts­gü­ter mit Anschaf­fungs- oder Her­stel­lungs­kos­ten von bis zu 5.000 Euro auf­ge­nom­men wer­den. Außer­dem wird die Abschrei­bungs­dau­er für den Sam­mel­pos­ten von fünf auf drei Jah­re ver­kürzt.

  • Son­der­ab­schrei­bung: Klei­ne­re Betrie­be, die im Vor­jahr einen Gewinn von maxi­mal 200.000 Euro erzielt haben, kön­nen für beweg­li­che Wirt­schafts­gü­ter in den ers­ten fünf Jah­ren eine Son­der­ab­schrei­bung von ins­ge­samt bis zu 20 % gel­tend machen. Für ab 2024 ange­schaff­te oder her­ge­stell­te Wirt­schafts­gü­ter wird die Son­der­ab­schrei­bung auf bis zu 50 % ange­ho­ben.

  • Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wand: Die Pau­scha­len für den Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wand im Rah­men einer Aus­wärts­tä­tig­keit sol­len ab 2024 ange­ho­ben wer­den. Der Tages­satz für einen vol­len Tag der Abwe­sen­heit steigt von 28 Euro auf 30 Euro, der Satz für den An- oder Abrei­se­tag oder eine Abwe­sen­heit von weni­ger als 24 Stun­den, aber mehr als 8 Stun­den steigt von 14 Euro auf 15 Euro.

  • Betriebs­ver­an­stal­tun­gen: Für Zuwen­dun­gen des Arbeits­ge­bers an Arbeit­neh­mer und deren Begleit­per­so­nen anläss­lich einer Betriebs­ver­an­stal­tung gilt bis­her ein steu­er­li­cher Frei­be­trag von 110 Euro. Die­ser Frei­be­trag soll ab 2024 auf 150 Euro stei­gen.

  • Geschen­ke: Geschen­ke an Nicht­ar­beit­neh­mer dür­fen nicht als Betriebs­aus­ga­ben abge­zo­gen wer­den, sofern deren Wert im Kalen­der­jahr mehr als 35 Euro pro Emp­fän­ger aus­macht. Für alle nach 2023 begin­nen­den Wirt­schafts­jah­re soll die­se Abzugs­gren­ze auf 50 Euro pro Per­son und Jahr ange­ho­ben wer­den.

  • Ver­mie­tungs­frei­gren­ze: Für die Ein­nah­men aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung wird ab 2024 eine Steu­er­frei­gren­ze in Höhe von 1.000 Euro ein­ge­führt. Lie­gen die Ein­nah­men vor Abzug der Aus­ga­ben unter der Frei­gren­ze, sind in der Steu­er­erklä­rung kei­ne Anga­ben mehr zum Miet­ver­hält­nis nötig. Sofern die Aus­ga­ben in unmit­tel­ba­rem Zusam­men­hang mit dem Miet­ver­hält­nis die Ein­nah­men über­schrei­ten und damit steu­er­lich ein Ver­lust zu berück­sich­ti­gen wäre, kön­nen die Ein­nah­men aber auch wei­ter­hin auf Antrag als steu­er­pflich­tig behan­delt wer­den.

  • Pri­va­te Ver­äu­ße­rungs­ge­schäf­te: Bis­her blei­ben Gewin­ne aus pri­va­ten Ver­äu­ße­rungs­ge­schäf­ten steu­er­frei, wenn der dar­aus im Kalen­der­jahr erziel­te Gewinn ins­ge­samt nicht mehr als 600 Euro beträgt. Die­se Frei­gren­ze wird ab 2024 auf 1.000 Euro ange­ho­ben.

  • Ren­ten­be­steue­rung: Um die vom Bun­des­fi­nanz­hof gefor­der­te Ver­mei­dung einer Dop­pel­be­steue­rung von Ren­ten umzu­set­zen, wird der vom Jahr des Ren­ten­be­ginns abhän­gi­ge Besteue­rungs­an­teil der Ren­te ange­passt. Ab 2023 steigt der Besteue­rungs­an­teil jähr­lich nicht mehr wie bis­her vor­ge­se­hen um 1,0 %, son­dern nur noch um 0,5 %. Bei einem Ren­ten­ein­tritt im Jahr 2023 beträgt der Besteue­rungs­an­teil damit statt 83 % nur 82,5 %. Außer­dem wird es durch die Ände­rung nun bis 2058 dau­ern, bis eine vol­le Besteue­rung der Ren­ten erreicht ist. Bis­her wäre das schon 2040 der Fall gewe­sen.

  • Ver­sor­gungs­frei­be­trag: Kor­re­spon­die­rend zur Anpas­sung bei der Ren­ten­be­steue­rung wird auch der Ver­sor­gungs­frei­be­trag ange­passt. Begin­nend mit dem Jahr 2023 wird der anzu­wen­den­de Pro­zent­wert zur Bemes­sung des Ver­sor­gungs­frei­be­tra­ges nicht mehr in jähr­li­chen Schrit­ten von 0,8 %, son­dern nur noch um 0,4 % ver­rin­gert. Der Höchst­be­trag sinkt ab dem Jahr 2023 um jähr­lich 30 Euro und der Zuschlag zum Ver­sor­gungs­frei­be­trag um jähr­lich 9 Euro.

  • Alters­ent­las­tungs­be­trag: Eben­falls ange­passt wird der Alters­ent­las­tungs­be­trag. Die­ser wird nun jähr­lich nur noch um 0,4 % statt bis­her 0,8 % ver­rin­gert. Der Höchst­be­trag sinkt dem­entspre­chend ab dem Jahr 2023 um jähr­lich 19 Euro anstatt bis­her 38 Euro.

  • Klein­be­trags­ren­ten: Sofern die monat­li­che Ren­te aus einem steu­er­be­güns­tig­ten Ver­trag unter einem bestimm­ten Grenz­be­trag lie­gen wür­de (2023 bei 33,95 Euro), kann sie vom Anbie­ter auch in Form einer ein­ma­li­gen Kapi­tal­ab­fin­dung aus­ge­zahlt wer­den, ohne dass dies nega­ti­ve steu­er­li­che Fol­gen hät­te. Künf­tig soll die Abfin­dung einer Klein­be­trags­ren­te auch wäh­rend der Aus­zah­lungs­pha­se steue­run­schäd­lich mög­lich sein, wenn die Ren­te wegen eines Ver­sor­gungs­aus­gleichs den Grenz­be­trag erreicht oder unter­schrei­tet.

  • Grup­pen­un­fall­ver­si­che­rung: Die Bei­trä­ge zu einer Grup­pen­un­fall­ver­si­che­rung kann der Arbeit­ge­ber pau­schal mit 20 % ver­steu­ern, wenn der durch­schnitt­li­che Bei­trag je Arbeit­neh­mer nach Abzug der Ver­si­che­rungs­steu­er nicht mehr als 100 Euro im Jahr beträgt. Ab 2024 soll die­ser Grenz­be­trag ersatz­los weg­fal­len, sodass dann alle Grup­pen­un­fall­ver­si­che­run­gen pau­schal ver­steu­ert wer­den kön­nen.

  • Ermä­ßig­te Besteue­rung: Bis­her kann die ermä­ßig­te Besteue­rung für bestimm­te Ent­schä­di­gun­gen und Ver­gü­tun­gen für mehr­jäh­ri­ge Tätig­kei­ten schon beim Lohn­steu­er­ab­zug berück­sich­tigt wer­den. Weil das aber für die Arbeit­ge­ber recht kom­pli­ziert und mit steu­er­li­chen Risi­ken ver­bun­den ist, wird das Ver­fah­ren ab 2024 gestri­chen. Arbeit­neh­mer kön­nen die ermä­ßig­te Besteue­rung aber auch wei­ter­hin durch Abga­be einer Steu­er­erklä­rung nach­träg­lich beim Finanz­amt gel­tend machen.

  • Ver­lus­t­rück­trag: Mit dem Vier­ten Coro­na-Steu­er­hil­fe­ge­setz wur­de die Mög­lich­keit des Ver­lus­t­rück­trags von einem auf zwei Jah­re erwei­tert und der maxi­ma­le Betrag für den Ver­lus­t­rück­trag befris­tet bis Ende 2023 von 1 Mil­li­on auf 10 Mil­lio­nen Euro ange­ho­ben (20 Mio. Euro für zusam­men­ver­an­lag­te Ehe­gat­ten). Die­se höhe­ren Betrags­gren­zen sol­len nun dau­er­haft bestehen blei­ben. Außer­dem wird der Ver­lus­t­rück­trag ab 2024 auf drei Jah­re erwei­tert. Ver­lus­te aus dem Jahr 2024 kön­nen also bis ins Jahr 2021 rück­ge­tra­gen wer­den.

  • Ver­lust­vor­trag: Nach dem gel­ten­den Recht ist bis zu einem Sockel­be­trag von 1 Mil­li­on Euro (2 Mio. Euro für zusam­men­ver­an­lag­te Ehe­gat­ten) der Ver­lust­vor­trag unbe­schränkt mög­lich. Für den Teil, der den Sockel­be­trag über­schrei­tet, ist der Ver­lust­vor­trag dage­gen auf 60 % der Ein­künf­te beschränkt, die in dem Jahr erzielt wer­den, auf das der Ver­lust vor­ge­tra­gen wird. Die­se Min­dest­ge­winn­be­steue­rung wird bis ein­schließ­lich 2027 aus­ge­setzt, sodass bis dahin ein unbe­schränk­ter Ver­lust­vor­trag mög­lich ist. Ab 2028 greift die Min­dest­ge­winn­be­steue­rung wie­der, dann aber mit einem höhe­ren Sockel­be­trag von 10 Mil­lio­nen Euro (20 Mio. für Ehe­gat­ten).

  • Zins­schran­ke: Die Zins­schran­ke wird refor­miert und an Vor­ga­ben der EU ange­passt. Das führt zu einer teil­wei­sen Ver­schär­fung, wes­halb zum Aus­gleich die bis­he­ri­ge Frei­gren­ze von 3 Mil­lio­nen Euro in einen Frei­be­trag glei­cher Höhe umge­wan­delt wird.

  • The­sau­rie­rungs­be­güns­ti­gung: Meh­re­re Maß­nah­men sol­len die The­sau­rie­rungs­be­güns­ti­gung auch für Unter­neh­mer öff­nen, die nicht den Spit­zen­steu­er­satz zah­len. Dazu wird der begüns­ti­gungs­fä­hi­ge Gewinn ab 2024 um die gezahl­te Gewer­be­steu­er und die Beträ­ge erhöht, die zur Zah­lung der Ein­kom­men­steu­er ent­nom­men wer­den. Damit steht künf­tig ein höhe­res The­sau­rie­rungs­vo­lu­men zur Ver­fü­gung. Außer­dem wird die Ver­wen­dungs­rei­hen­fol­ge ver­bes­sert, sodass künf­tig steu­er­freie und tarif­be­steu­er­te Gewin­ne, die im Unter­neh­men belas­sen wur­den, vor­ran­gig ent­nom­men wer­den kön­nen.

  • Dezem­ber­hil­fe 2022: Die Dezem­ber-Sofort­hil­fe, die 2022 zur Ent­las­tung der hohen Erd­gas­prei­se gewährt wur­de, soll nun doch nicht besteu­ert wer­den, wes­we­gen die Rege­lun­gen ersatz­los gestri­chen wer­den.

  • Elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen: Ab 2025 müs­sen für Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen an ande­re Unter­neh­mer zwin­gend elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen aus­ge­stellt wer­den. Dies ist der ers­te Schritt zur Ein­füh­rung eines natio­na­len Mel­de­sys­tems für alle Umsät­ze, mit dem der Fis­kus Umsatz­steu­er­be­trug bekämp­fen will. Als elek­tro­ni­sche Rech­nung gilt dabei nur eine Rech­nung in einem struk­tu­rier­ten elek­tro­ni­schen For­mat, das auto­ma­tisch wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den kann. Papier­rech­nun­gen und ande­re elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen, bei­spiels­wei­se rei­ne PDF-Doku­men­te, gel­ten dage­gen als sons­ti­ge Rech­nun­gen. In einem Über­gangs­zeit­raum bis Ende 2025 kann statt einer elek­tro­ni­schen Rech­nung auch eine sons­ti­ge Rech­nung aus­ge­stellt wer­den.

  • Ist-Besteue­rung: Die Opti­on zur Ist-Besteue­rung kann ab 2024 bis zu einem Vor­jah­res­um­satz von 800.000 Euro statt bis­her bis zu 600.000 Euro genutzt wer­den.

  • Pau­schal­land­wir­te: Auf­grund von Vor­ga­ben der EU wird der Durch­schnitts­satz für Pau­schal­land­wir­te inzwi­schen jähr­lich ange­passt. Für das Jahr 2024 sin­ken der Durch­schnitts­satz und die Vor­steu­er­pau­scha­le von 9,0 % auf 8,4 %. Im Jahr 2021 betrug der Durch­schnitts­satz noch 10,7 %. Für einen Land­wirt, der gro­ße Inves­ti­tio­nen mit ent­spre­chend hohem Vor­steu­er­ab­zugs­po­ten­zi­al plant, lohnt sich daher mög­li­cher­wei­se der Ver­zicht auf die Anwen­dung der Durch­schnitts­satz­be­steue­rung.